Moskau (dpa) - Der weltweit größte Erdgasproduzent Gasprom gilt in Russland als Staat im Staate. Beim Gasgiganten steht ein Heer von etwa 300 000 Menschen auf der Gehaltsliste. Gasprom leistet sich eine Hausbank, eine eigene Fluggesellschaft sowie einen landesweit ausgestrahlten Fernsehsender. Ein Sechstel der weltweit nachgewiesenen Gasvorkommen lagert bei Gasprom. Der Konzern beziffert seine Vorräte auf einen Wert von 70 Milliarden Euro. Im russischen Budget stammt jeder vierte Rubel von Gasprom.
Präsident Wladimir Putin hat mit dem Konzern "Gasowaja Promyschlennost" (Gasindustrie, kurz: Gasprom) Großes vor. Seit kurzem hält der Staat wieder die Kontrollmehrheit am Unternehmen. Im russischen Erdölsektor soll Gasprom ebenfalls durch Zukäufe die Nummer 1 werden. Doch der Kreml will noch mehr: Mit der Ostsee-
Pipeline Richtung Deutschland soll der russische Konzern Zugriff auf die Versorgungsnetze in Westeuropa bekommen, um seine Vormachtstellung weiter auszubauen.
Obwohl Gasprom jährlich etwa 140 Milliarden Kubikmeter
Gas zu Weltmarktpreisen an den Westen verkauft, steht der Energieriese tief in der Kreide. Der Konzern gibt den garantierten Niedrigpreisen für
Energie in Russland die Schuld. Minderheitsaktionäre prangern dagegen Vetternwirtschaft und Unterschlagung im Konzern an.
Der Großkonzern ging aus dem sowjetischen Energieministerium hervor. Bis zum Amtsantritt Putins im Jahr 2000 herrschte der Oligarch Rem Wjachirew, ein ehemaliger Vize-Gasminister, wie ein König über das Gasprom-Reich. Putin schickte Wjachirew in den Ruhestand und machte seinen treuen Gefolgsmann aus St. Petersburger Zeiten, Alexej Miller, zum Vorstandsvorsitzenden. Putin wird nachgesagt, er erwäge, nach seinem laut Verfassung letzten Jahr im Amt 2008 selbst bei Gasprom das Ruder in die Hand zu nehmen.
Deutschland ist seit Jahrzehnten wichtigster Abnehmer für Gas aus Russland. Die E.ON-Tochter Ruhrgas hält als größter ausländischer Gasprom-Aktionär einen Anteil von knapp 6,5 Prozent. Ruhrgas-Chef Burckhard Bergmann sitzt als einziger Ausländer im Aufsichtsrat von Gasprom. An der
Börse ist der Konzern in der englischen Schreibweise Gazprom notiert.