Gaspreise vor Gericht: Harte Fronten, klare Worte
Stand: 15.09.2005
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Hamburg (dpa) - Der Streit um die Gaspreise in Deutschland hat die Gerichtssäle erreicht. Vor der 11. Zivilkammer des Hamburger Landgerichts prallten die Standpunkte der Kontrahenten am Donnerstag ungebremst aufeinander. Mit der bundesweit ersten Sammelklage hatten 54 Kunden den Energieversorger E.ON Hanse vor die Schranken des Gerichts zitiert, weil sie die Preiserhöhungen um insgesamt 25 Prozent nicht mehr hinnehmen mochten. Ob diese juristische Strategie am Ende von Erfolg gekrönt sein wird, steht in den Sternen. Beide Seiten wollen den Hamburger Prozess durch alle Instanzen treiben, so dass am Ende ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) stehen dürfte - vielleicht im Jahr 2008.
Verbraucherschützer und Versorgungsunternehmen messen dem Hamburger Prozess gleichermassen grosse Bedeutung bei. "Auf diese Entscheidung warten alle Energieversorger Deutschlands. Was da rauskommt, das ist initialzündend für die gesamte Branche und die ganze Diskussion", betont die Sprecherin der swb AG in Bremen, Angela Dittmer. Der Bund der Energieverbraucher hofft auf eine Stärkung der Verbraucherrechte. "Der Prozess wird zeigen, dass die Widersprüche gegen die Gaspreisrechnungen eine materielle Basis haben", sagt der Vorsitzende Aribert Peters. Nach seinen Angaben weigern sich derzeit bundesweit rund 500.000 Verbraucher, Gasrechnungen zu zahlen, die ihrer Meinung nach zu hoch sind.
Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) hat die Einschätzung des Hamburger Landgerichts zu der Sammelklage begrüsst. "Auch bei Gaspreisen muss gelten, dass Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, was drin ist", sagte sie in Berlin. Das Ministerium werde ein Informationsprojekt dazu fördern, wie Verbraucher gegen Gas- und Strompreiserhöhungen vorgehen könnten.
Die Verbraucherzentrale sieht im Verfahren um die erste Sammelklage von Verbrauchern gegen gestiegene Gaspreise die Gasversorger unter Zugzwang. "Das Verhandlungsergebnis ist ein weiterer Erfolg auf dem Weg zu mehr Wettbewerb im Gasmarkt und angemessene Preise", sagte die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Edda Müller, am Donnerstag in Berlin. "Wer eine weisse Weste hat, dürfte eigentlich nichts zu verbergen haben."
Das Tochterunternehmen des E.ON-Konzerns hatte - ebenso wie alle anderen Versorger in Deutschland - die steigenden Preise mit der Bindung an den Ölpreis begründet, der schon im vergangenen Jahr auf immer neue Rekordstände gestiegen war. "Kein vergleichbares Unternehmen in Deutschland kann die Ölpreisbindung umgehen", sagte der Anwalt der E.ON-Seite. "Die Vermutung, dass mit der Preiserhöhung ein zusätzlicher Gewinn erwirtschaftet wurde, ist durch den Geschäftsbericht des Unternehmens und das Bundeskartellamt widerlegt." Das Kartellamt hatte die Preise untersucht, ohne ein Verfahren gegen E.ON Hanse einzuleiten.
"Wir nehmen Ihnen nicht ab, dass sie nicht in der Lage sind, Gas ohne Ölpreisbindung einzukaufen", keilte die Gegenseite zurück. "Sie haben ein gesundes Interesse an der Ölpreisbindung, weil Sie daran mitverdienen." Die Kunden hatten mit Unterstützung der Hamburger Verbraucherzentrale die jüngsten drei Preisrunden von E.ON Hanse nicht mitgemacht und zahlten weiter den alten Preis.
Die Vorsitzende Richterin der 11. Zivilkammer, Helga Langenberg, hatte zum Auftakt des Prozesses eine vorläufige juristische Einschätzung abgegeben, die den Verbrauchern Mut machen dürfte. Wenn E.ON Hanse einseitig die Preise erhöhen könne, dann müssten diese Preise auch überprüfbar sein, lautete das Resümee der Richterin. E.ON Hanse nehme in Hamburg eine Monopolstellung ein und nur durch die Offenlegung der Kalkulation könne festgestellt werden, ob die Preise juristisch in Ordnung seien.
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