Beschlagnahmtes Material wegen E.ON-Ruhrgas-Reisen ausgewertet
Stand: 20.01.2006
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Köln (dpa) - Das wegen mutmaßlicher Vergnügungsreisen auf Kosten von E.ON Ruhrgas beschlagnahmte Beweismaterial ist weitgehend ausgewertet. Die Zahl von 150 Kommunalpolitikern, Gesellschaftern und Managern, gegen die ermittelt wird, werde sich nicht mehr wesentlich verändern, sagte Günther Feld von der Staatsanwaltschaft Köln am Freitag. "Wir ermitteln nicht mehr in die Breite, sondern weiter in die Tiefe." Es besteht der Verdacht, dass E.ON Ruhrgas Aufsichtsräten und Mitarbeitern von 28 kommunalen Versorgern in Nordrhein-Westfalen Reisen nach Barcelona, Brügge, St. Petersburg und Norwegen bezahlt hat, um sie wohlwollend für Lieferverträge zu stimmen.
Die Staatsanwaltschaft war im Mai vergangenen Jahres durch einen Zeitungsbericht über eine Reise von Burscheider Kommunalpolitikern zu einer Gasförderplattform in Norwegen auf die mutmaßlichen Vergnügungsreisen aufmerksam geworden. Eine Durchsuchung unter anderem bei der Essener E.ON Ruhrgas erbrachte das jetzt ausgewertete Beweismaterial.
Die Teilnahme der Lokalpolitiker an Reisen, die von Firmen bezahlt werden, kann nach Aussage des Verfassungsrechtlers Hans Herbert von Arnim den Tatbestand der Korruption erfüllen. "Bei Korruption geht es nicht nur um Geld, sondern auch um geldwerte Leistungen", sagte der Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer in einem dpa-Gespräch. Aufwendige Reisen, zumal mit Ehegatten, seien solche Vorteile. "Dann sieht es so aus, dass man den Boden für künftiges Wohlverhalten bereiten will - also die Pflege der politischen Landschaft betreibt."
Wenn ein Unternehmen dies tue, gehe es letztlich zu Lasten der Öffentlichkeit, weil es den Markt behindere. "Wenn es Korruption ist, dann betrifft das den fairen Wettbewerb. Der Wettbewerb soll für vernünftige Preise sorgen, und wenn das ausgehebelt wird, werden die Preise höher sein, als sie sonst sein müssten."
Dass die Lokalpolitiker Amtsträger sind und daher wegen Vorteilsannahme gegen sie ermittelt werden kann, ergibt sich nach Aussage Felds aus der Kommunalverfassung. Welche Vergünstigungen Amtsträger annehmen dürfen, ist nicht in absoluten Beträgen geregelt. Geprüft wird, ob ein Geschenk oder eine Reise "sozial adäquat", also gemessen an Stand und Einkommen des Empfängers nicht übermäßig ist. Das Argument, die Gaslieferverträge seien sehr langfristig, und E.ON Ruhrgas habe deshalb die Lokalpolitiker gar nicht direkt beeinflussen können, ließen von Arnim und Feld nicht gelten: "Unternehmen dürfen nur Dinge tun, die ihrem Vorteil dienen sollen. Wenn sie Dinge finanzieren, von denen sie nichts haben, kommt man an den Rand der Untreue", sagte von Arnim.
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