E.ON Ruhrgas stoppt bezahlte Reisen für Politiker und Mandatsträger
Stand: 23.01.2006
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Köln (dpa) - Im Zusammenhang mit Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft wegen der Finanzierung von Reisen für Kommunalpolitiker hat der Energiekonzern E.ON Ruhrgas Konsequenzen gezogen. Wie Unternehmenssprecher Peter Blau am Samstag der "Tagesschau"-Redaktion in Köln bestätigte, werde man "sämtliche Kundenveranstaltungen mit sofortiger Wirkung einstellen".
Die Kölner Staatsanwaltschaft hatte am Samstag Medienberichte bestätigt, nach denen eine Durchsuchung in der Dortmunder Zentrale von Thyssengas stattgefunden hat. "Die Unterlagen wurden dort bereits im September vergangenen Jahres sichergestellt", erklärte Behördensprecher Günther Feld auf Anfrage. Die Ermittlungen stünden im Zusammenhang mit der umstrittenen Finanzierung von Aufsichtsratsreisen, die E.ON Ruhrgas veranstaltet habe. Dabei werde gegen insgesamt 159 Kommunalpolitiker und Manager ermittelt.
"Wir haben den Verdacht, dass Thyssengas die überwiegend von E.ON finanzierten Reisen teilweise mitfinanziert hat", erklärte Feld. Das sei womöglich der Fall gewesen, weil beide Unternehmen in manchen Versorgungsgebieten anteilig das Gas an die örtlichen Stadtwerke lieferten. Die Zahl der beschuldigten Kommunalpolitiker erhöhe sich dadurch nicht, betonte Feld: "Es geht auch nicht um zusätzliche Reisen."
E.ON Ruhrgas hat sich in einem Schreiben an seine Stadtwerke- Kunden gegen Vorwürfe verteidigt, Vergnügungsreisen für Kommunalpolitiker finanziert zu haben. "Durchgeführt wurden in erster Linie die Besichtigung von Bohrplattformen und Betriebsstätten sowie Vortragsveranstaltungen im In- und Ausland", heißt es in dem der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung" (Samstag) vorliegenden Brief. Dabei sei der Informationscharakter bestimmend gewesen. Der Verdacht einer Vorteilsgewährung sei nicht begründet.
Bei den Ermittlungen geht es um den Verdacht, dass E.ON Ruhrgas Aufsichtsräten und Mitarbeitern von 28 kommunalen Versorgern in Nordrhein-Westfalen Reisen nach Barcelona, Brügge, St. Petersburg und Norwegen bezahlt hat, um sie wohlwollend für Lieferverträge zu stimmen. Staatsanwalt Feld hatte dazu erklärt, das beschlagnahmte Beweismaterial sei inzwischen weitgehend ausgewertet. "Wir ermitteln nicht mehr in die Breite, sondern weiter in die Tiefe."
Hinweise auf ähnliche Reisen für 50 weitere Lokalpolitiker in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland würden weiter geprüft. Es gebe aber noch keine Ermittlungen, die so konkret seien wie gegen die nordrhein-westfälischen Beschuldigten, sagte Feld. Eventuell betroffene Stadtwerke oder andere Versorgungsunternehmen in diesen Bundesländern nannte er deshalb nicht.
Die Staatsanwaltschaft war im Mai 2005 durch einen Zeitungsbericht über eine Reise von rheinischen Kommunalpolitikern zu einer Gasförderplattform in Norwegen auf die angeblichen "Lustreisen" aufmerksam geworden. Eine Durchsuchung unter anderem bei der Essener E.ON Ruhrgas hatte das jetzt ausgewertete Beweismaterial erbracht.
Die Teilnahme der Lokalpolitiker an Reisen, die von Firmen bezahlt werden, kann nach Aussage des Verfassungsrechtlers Hans Herbert von Arnim den Tatbestand der Korruption erfüllen. "Bei Korruption geht es nicht nur um Geld, sondern auch um geldwerte Leistungen", sagte der Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer in einem dpa-Gespräch. Aufwendige Reisen, zumal mit Ehegatten, seien solche Vorteile. "Dann sieht es so aus, dass man den Boden für künftiges Wohlverhalten bereiten will - also die Pflege der politischen Landschaft betreibt."