Reise-Affäre: E.ON Ruhrgas bestreitet Vorwürfe
Stand: 23.01.2006
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Essen/Köln (dpa) - E.ON Ruhrgas hat sich in einem Schreiben an seine Stadtwerke-Kunden gegen Vorwürfe verteidigt, Vergnügungsreisen für Kommunalpolitiker finanziert zu haben. "Durchgeführt wurden in erster Linie die Besichtigung von Bohrplattformen und Betriebsstätten sowie Vortragsveranstaltungen im In- und Ausland", heißt es in dem der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung" (Samstag) vorliegenden Brief. Dabei sei der Informationscharakter bestimmend gewesen. Der Verdacht einer Vorteilsgewährung sei nicht begründet. Ruhrgas sei an einer "sicheren rechtlichen Grundlage für Informationsveranstaltungen gelegen".
Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen 150 Gesellschafter, Kommunalpolitiker und Manager. Es besteht der Verdacht, dass E.ON Ruhrgas Aufsichtsräten und Mitarbeitern von 28 kommunalen Versorgern in Nordrhein-Westfalen Reisen nach Barcelona, Brügge, St. Petersburg und Norwegen bezahlt hat, um sie wohlwollend für Lieferverträge zu stimmen. Staatsanwalt Günther Feld hatte am Freitag erklärt, das beschlagnahmte Beweismaterial sei inzwischen weitgehend ausgewertet. "Wir ermitteln nicht mehr in die Breite, sondern weiter in die Tiefe."
Hinweise auf ähnliche Reisen für 50 weitere Lokalpolitiker in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland würden weiter geprüft. Es gebe aber noch keine Ermittlungen, die so konkret seien wie gegen die nordrhein-westfälischen Beschuldigten, sagte Feld. Eventuell betroffene Stadtwerke oder andere Versorgungsunternehmen in diesen Bundesländern nannte er deshalb nicht.
Die Staatsanwaltschaft war im Mai vergangenen Jahres durch einen Zeitungsbericht über eine Reise von rheinischen Kommunalpolitikern zu einer Gasförderplattform in Norwegen auf die angeblichen "Lustreisen" aufmerksam geworden. Eine Durchsuchung unter anderem bei der Essener E.ON Ruhrgas hatte das jetzt ausgewertete Beweismaterial erbracht.
Die Teilnahme der Lokalpolitiker an Reisen, die von Firmen bezahlt werden, kann nach Aussage des Verfassungsrechtlers Hans Herbert von Arnim den Tatbestand der Korruption erfüllen. "Bei Korruption geht es nicht nur um Geld, sondern auch um geldwerte Leistungen", sagte der Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer in einem dpa-Gespräch. Aufwendige Reisen, zumal mit Ehegatten, seien solche Vorteile. "Dann sieht es so aus, dass man den Boden für künftiges Wohlverhalten bereiten will - also die Pflege der politischen Landschaft betreibt."
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