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EnBW verhandelt mit russischem Gaslieferanten über VNG

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Karlsruhe - Der Strom- und Gasanbieter EnBW zieht eine Kooperation mit Russland im Gasgeschäft in Betracht. Informierte Unternehmenskreise bestätigten am Mittwoch einen entsprechenden Bericht des "Handelsblatts". Laut Medienberichten sind die Verhandlungen des Karlsruher Energiekonzerns mit dem russischen Gasunternehmen Novatek weit fortgeschritten: Danach will EnBW bis zu einem Viertel seines 48-Prozent-Anteils am Leipziger Gasgroßhändler Verbundnetz Gas (VNG) an Novatek weiterreichen.

Als Gegenleistung für den Novatek-Deal erhofft sich EnBW günstige Gaslieferungen aus Russland. Im Rahmen einer EnBW-Klausur am kommenden Donnerstag - einen Tag vor Veröffentlichung der Halbjahreszahlen - soll der Deal Thema sein. Die "Stuttgarter Zeitung" hatte bereits am Montag über die geplante Zusammenarbeit berichtet. Der Deal könnte den Berichten zufolge ein Volumen von rund 800 Millionen Euro haben.

Mit der Begrenzung der Anteile auf 25 Prozent wolle EnBW vermeiden, dass die VNG völlig in russische Hand gerät, heißt es aus den Kreisen weiter. Denn auch der russische Gasgigant Gazprom hält inzwischen schon 10,5 Prozent an den Leipzigern. Die restlichen EnBW-Anteile könnten laut "Handelsblatt" in ein Joint-Venture eingebracht werden, an dem Novatek beteiligt ist. EnBW lehnte in den vergangenen Tagen jegliche Stellungnahme zu den Verhandlungen mit Novatek ab. "Diesen ganzen Komplex kommentieren wir absolut nicht", sagte ein EnBW-Sprecher am Mittwoch.

Der Konzern kann nach Experteneinschätzung in der Gassparte nur dann erfolgreich sein, wenn er mit einem starken Partner kooperiert. "Strategisch wäre das ein ganz wichtiger Schritt", sagte Andreas Löschel vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). EnBW tue gut daran, sich einen günstigen Lieferanten an Land zu ziehen - "auch mit Blick auf spätere, eigene Erzeugerkapazitäten". "Natürlich ist es wichtig, eine solche Kooperation anzustreben", sagte auch SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. "Man muss doch mit denen zusammenarbeiten, die auf den Rohstoffen sitzen."

Manche Experten aber sehen solche Konstruktionen durchaus auch skeptisch. "Zwar landet man schnell beim Gas, wenn man darüber nachdenkt, wie Baden-Württemberg die durch die abgeschalteten Atommeiler entstandene Stromlücke füllen könnte", sagte Martin Wietschel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Engagement in diesem Sektor bedeute aber zunehmende Abhängigkeit von russischem Gas und dessen Preis. "Das wird in 15 bis 20 Jahren, wenn die Reserven anderswo zur Neige gehen, besonders spürbar werden."

Mit der Kooperation mit Novatek würde EnBW einen ähnlichen Weg einschlagen wie der RWE-Konzern. Die Essener vereinbarten in der vergangenen Woche mit Gazprom eine Grundsatzerklärung zu einer strategischen Partnerschaft: RWE will Gazprom an seinen Kohle- und Gaskraftwerken beteiligen - und im Gegenzug günstig Gas beziehen.

Im Gasgeschäft sind die Karlsruher traditionell schwach auf der Brust. Es schrumpft seit Jahren und trug 2010 nur noch zu gut zehn Prozent zum Konzernumsatz von 17,5 Milliarden Euro bei. Dabei sank der Gasverkauf signifikant um 18,5 Prozent auf 53,6 Milliarden Kilowattstunden.

Hintergrund zu Novatek

Novatek ist der größte private Gasförderer in Russland und - nach dem staatlichen Energiegiganten Gazprom - der zweitgrößte Gasproduzent des Landes. Das 1994 gegründete Unternehmen ist auf Erkundung, Gewinnung und Verarbeitung von Gas, Öl und Gaskondensat spezialisiert. Der Konzern hat Förderlizenzen für Felder im Autonomen Bezirk der Jamal-Nenzen im Westen Nordsibiriens. In dieser Region lagern fast 20 Prozent der weltweiten Gasvorräte und mehr als 90 Prozent des gesamten russischen Gases.

Einer der größten Aktionäre ist mit 23,5 Prozent der St. Petersburger Oligarch Gennadi Timtschenko, der als Vertrauter von Regierungschef Wladimir Putin gilt. 27,17 Prozent der Aktien werden von Konzernchef Leonid Michelson kontrolliert. Rund 19 Prozent sind im Besitz der russischen Gazprombank. Im April 2011 stieg der französische Energiekonzern Total mit rund 12 Prozent ein.

2010 hatte Novatek die Gasproduktion nach eigenen Angaben um 15 Prozent auf 37,2 Milliarden Kubikmeter aufgestockt - das ist etwa jene Menge Gas, die Deutschland jährlich insgesamt in Russland einkauft. Die Produktion von Öl und Gaskondensat nahm um 19,1 Prozent auf 3,617 Millionen Tonnen zu. Im ersten Halbjahr 2011 steigerte Novatek die Gasgewinnung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 39 Prozent auf 25,56 Milliarden Kubikmeter.

Konzernchef Michelson, in dessen Büro nach eigenen Angaben ein Gemälde des deutschen Künstlers Gerhard Richter hängt, gilt als großer Sportliebhaber. So sponsert Novatek unter anderem den ersten russischen Fahrer in der Formel 1, Vitali Petrow.