Strom vom Kirchendach - "Ich werde jetzt nicht zum Solar-Prediger"
Stand: 30.09.2005
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Stuhr (dpa) - Wenn Pastor Dirk von Jutrczenka künftig seine Kirche in Seckenhausen (Landkreis Stuhr) betritt, kann er sich auch wie in einem Mini-Kraftwerk fühlen. Denn auf dem gesamten Dach der Martin-Luther-Kirche entsteht gerade eine 400 Quadratmeter grosse Solaranlage, die vom Erntedankfest am 2. Oktober an Strom erzeugen soll. "Ich werde jetzt aber nicht zum Solar-Prediger", sagt der Pastor. Zwar haben auch schon andere Kirchen in Norddeutschland, Solarmodule auf dem Dach. Die Anlage auf der Martin-Luther-Kirche ist in ihrer Grösse jedoch einmalig.
Zunächst musste aber der Kirchenvorstand seine Idee abgesegnen. Monika Winter blickt zurück: "Mein erster Gedanke war: Oh nein, schon wieder viel Geld ausgeben." Die Martin-Luther-Kirche hatte im Jahr zuvor erst einen Anbau finanzieren müssen. Und die Photovoltaik- Anlage in der geplanten Grösse sollte 250 000 Euro kosten. Doch Pastor Jutrczenka rechnete vor, dass sich die Anlage, die Strom produziert und gegen eine Vergütung direkt ins Energienetz einspeist, rentieren wird.
Anschliessend galt es, die Landeskirche in Hannover zu überzeugen. Sie hatte Zweifel an der Finanzierung und lehnte den ersten Antrag des Pastors ab. Mit Hilfe des Umweltbundesamtes konnte Jutrczenka die Bedenken aber zerstreuen. Nach reiflicher Überlegung unterstützte schliesslich auch der Kirchenkreis Syke Hoya das Projekt. Heute sagt Pastor Gunnar Schulz-Achelis: "Ich finde die Idee sehr gut. Erneuerbare Energien passen sehr gut zu einer Kirche. Ausserdem passt das Dach ästethisch und architektonisch auf die Kirche. Es ist eine zukunftsträchtige Entwicklung." Der Kirchenkreis gewährte sogar ein Darlehen von 180 000 Euro für den Bau der Anlage.
Zwei Jahre brauchte Pastor Jutrczenka insgesamt, bis er alle Zweifler überzeugt hatte. "Aber jetzt möchte ich nicht mehr maulen." Kritiker, so fürchtet er, wird es auch noch unter den Gläubigen geben. Deren Bedenken möchte er mit einer Broschüre ausräumen, die es zur Inbetriebnahme geben wird. Die Kritik, die Anlage sei zu teuer, will er mit Hinweis auf die Einspeisevergütung widerlegen. Zum Argument, es fehle ein kirchlicher Bezug, kann er sich eine kurze Predigt zum Thema "Bewahrung der Schöpfung" vorstellen.
Der Grossteil der Gemeinde scheint von der Idee ihres Pastors aber ohnehin angetan zu sein. So gingen alle "Sonnenscheine" weg, mit denen weitere 50 000 Euro für die Anlage aufgebracht wurden. Ein Anteilsschein kostete 250 Euro. Dieses Geld wird für den Käufer mit drei Prozent verzinst und später über zehn Jahr hinweg ratenweise zurückgezahlt. "Diese Sonnenscheine verbinden die Gemeindemitglieder mit der Kirche und hinterlassen das Gefühl etwas Gutes getan zu haben", sagt Jutrczenka.