Hintergrund: Seit zwei Jahrzehnten Streit um Hanauer Atomanlage
Stand: 27.04.2004
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Hamburg (dpa) - Die Atomanlage im hessischen Hanau ist nie in Betrieb gegangen. Schon vor der Debatte über ihren Verkauf nach China war das Werk Anlage jahrelang Gegenstand heftiger Kontroversen.
1987 platzte die erste rot-grüne Koalition in Hessen, auch wegen des Streits um Hanau. Das Verwaltungsgericht Frankfurt lehnte einen Antrag auf Baustopp für den Neubau ab. 1991 wurde Fischer erneut Umweltminister, die Auseinandersetzung eskalierte. Fischer und der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) stritten um die Genehmigung des neuen Werks.
1995 legte der Siemens-Konzern aus Furcht vor langwierigen und teuren Auseinandersetzungen das Projekt zu den Akten. Die am Bau mit 50 Prozent beteiligten Kraftwerksbetreiber wollten kein weiteres Geld mehr investieren. Wenig später scheiterte die Idee, in der Anlage Plutonium aus sowjetischen Atomsprengköpfen zu verwenden. Dazu wären zahllose Transporte nach Hanau nötig gewesen. Im Jahr 2000 zerschlug sich der Plan, Komponenten der MOX-Anlage in Russland zu nutzen.
Plutonium löst Warnungen vor militärischer Nutzung aus
Im Streit über einen Export der Hanauer Plutonium-Anlage nach China wurde auch immer wieder über eine mögliche militärische Nutzung diskutiert. Der Grund: Aus dem hoch radioaktiven und energiereichen Plutonium können nicht nur Brennelemente für Kernreaktoren, sondern auch Atombomben hergestellt werden. Das Schwermetall wird auf dem Weltmarkt nicht frei gehandelt, seine Verarbeitung unterliegt besonderen Sicherheitsbestimmungen.
Das Hanauer Siemens-Werk ist für die Produktion von Brennelementen aus einem Plutonium-Uran-Gemisch konstruiert, dem so genannten MOX. Einen militärischen Missbrauch seiner lieferfertigen Anlage schließt der Siemens-Konzern aus. Kritiker sehen aber die Möglichkeit, dass aus der Anlage Material entnommen und - anderswo - dann doch militärisch verwendet werden könnte.
Plutonium kommt in der Natur praktisch nicht vor - Experten schätzen die Menge auf weltweit wenige Kilogramm. Das Schwermetall entsteht aber in jedem Atomreaktor und auch bei Atomwaffentests als "Nebenprodukt" der Spaltung von Uran-Atomen. Auf diese Weise wurden in den vergangenen Jahrzehnten weltweit hunderte Tonnen Plutonium erzeugt. Die hohe Strahlungsintensität und die Halbwertszeit von mehr als 24.000 Jahren - nach dieser Zeit ist erst die Hälfte der Radioaktivität abgeklungen - machen das Metall auch zum Problem bei der Entsorgung.
Abgebrannte Brennelemente aus Reaktoren enthalten etwa ein Prozent Plutonium. In Wiederaufarbeitungsanlagen - etwa in Frankreich und England - wird es abgetrennt und kann als neuer Brennstoff in Atomkraftwerken verwendet werden.