Berlin (dpa) - Anlässlich der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD über die Energie- und Umweltpolitik erhöhen die grossen Energiekonzerne den Druck für eine Rücknahme des mit Rot-Grün vereinbarten allmählichen Atomausstiegs. Unterstützt von den beiden Gewerkschaften Bergbau-Chemie-Energie (IG BCE) und ver.di verlangen sie in einem der dpa vorliegenden Positionspapier zugleich, aus Gründen der Versorgungssicherheit an Stein- und Braunkohle festzuhalten. Ver.di hat sich jedoch mittlerweile von diesen Äußerungen distanziert.
Die Suche nach einem nuklearen
Endlager müsse im niedersächsischen Gorleben wieder aufgenommen werden, forderte das Bündnis in Briefen an die Parteispitzen. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach sich für verlängerte Laufzeiten der Atomkraftwerke aus.
SPD-Fraktionsvize Michael Müller wies dies auf Anfrage kategorisch zurück. "Wir werden uns in der
Atompolitik nicht bewegen", sagte er nach Koalitionsberatungen in der Umwelt-Arbeitsgruppe von Union und SPD, in der es neben dem Klimaschutz auch um die Energiepolitik ging. "Ich verstehe die Gewerkschaften nicht, dass sie sich hier einspannen lassen in eine Stromverbrauchs-Strategie der Konzerne. Die
Erneuerbaren Energien sind eine einmalige Chance, den Gegensatz von Arbeit und Umwelt zu überwinden."
Die Grünen und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) protestierten ebenfalls gegen den gemeinsamen Vorstoss der beiden Gewerkschaften mit den Energieriesen
E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW.
"Wir halten es für sinnvoll, die Überlegungen (des Papiers) in die laufenden Verhandlungen zu den Koalitionsvereinbarungen einzubeziehen", heisst es dem gemeinsamen Brief an die Parteichefs, die designierten Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU/CSU sowie den designierten Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). "Die Energie- und Umweltpolitik ist einer der zentralen Politikbereiche für eine Wiedergewinnung von Wachstum und Beschäftigung in Deutschland sowie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes."
"Einzelne
Energieträger dürfen nicht aus ideologischen Gründen aufgegeben werden", heisst es weiter in dem Papier. Nötig sei ein breiter Energiemix. Der Kernenergie-Einsatz sei "allein auf den Sicherheitsnachweis der Anlagen" abzustellen. Nach den Verträgen sollen die letzten Kernkraftwerke in etwa 20 Jahren abgestellt werden - die Union verlangt etwa acht weitere Jahre. Der BDI forderte in einem der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch) vorliegenden internen Papier, die "zu höchsten Sicherheitsstandards laufenden Kernkraftwerke" müssten ohne Begrenzung der Laufzeiten am Netz bleiben.
Es wäre "unverantwortlich, auf Nutzung und Zugang zu heimischen Lagerstätten zu verzichten", heisst es in den Forderungen der Energiekonzerne und Gewerkschaften. Die heimische Braunkohle werde wirtschaftlich gefördert, die Steinkohle benötige weitere öffentliche Hilfen. Entscheidend müsse die Versorgungssicherheit sein. Vor staatlichen Eingriffen in die hohen Energiepreise wird unter Hinweis auf geplante Modernisierungsinvestitionen in Kraftwerke gewarnt. Beim Klimaschutz dürfe der internationale Kyoto-Prozess zur Einsparung von Treibhausgasen nach 2012 ohne die USA, Australien, China und Indien "nicht einfach fortgesetzt werden".