Aus Stroh wird Strom
Stand: 11.09.2002
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Gross Breesen/Güstrow (dpa/mv) - Im Gutshotel Gross Breesen bei Güstrow wird Stroh zwar nicht zu Gold versponnen, aber in Strom und Wärme verwandelt. Von Donnerstag an erzeugt das auf nachwachsende Rohstoffe spezialisierte Tourismusunternehmen seine Energie hauptsächlich mit einer neuartigen Strohvergaser-Anlage, in der komplette Rundballen direkt vom Feld verbrannt werden.
Nach drei Prototypen, die in Zwickau (Sachsen), Zingst an der Ostsee und in Vielist arbeiten, entstand mit der Anlage in Gross Breesen ein Referenzobjekt für das Serienprodukt. Bisher installiert das 40-Mann-Unternehmen Herlt pro Jahr rund 180 Holzvergaser aus eigener Entwicklung und Produktion in ganz Europa und setzt insgesamt knapp 2,5 Millionen Euro (2002) um. Mit dem Stroh-Vergaser will Unternehmer Herlt, der bis zur Wende für die staatliche Forstwirtschaft Holzheizungen baute, nun den ganz grossen Wurf landen.
"Allein in Mecklenburg-Vorpommern haben die Bauern jedes Jahr ein Drittel ihres Strohs und damit rund eine Million Tonnen übrig, bundesweit fallen bis zu 20 Millionen Tonnen Getreidehalme an, die für Acker und Vieh nicht gebraucht werden", so der 55-jährige Tüftler. "Damit liessen sich theoretisch 160 000 Stroh-Kessel betreiben." Die Anlagen von Herlt haben eine Leistung zwischen 130 und 200 Kilowatt. Vom Frühjahr 2003 an soll eine kleinere Ausgabe für Ballen von maximal 1,30 Metern Durchmesser auf den Markt kommen.
Gedacht seien die Stroh-Kessel vor allem für die dezentrale Energieversorgung auf dem Lande, sagt Herlt. Nutzer könnten nicht nur Gastbetriebe oder Wohnungseigentümer sein, sondern auch Landwirte: Ställe, Treibhäuser oder Trocknungsanlagen liessen sich kostengünstig mit Stroh beheizen. Zudem könnten sich die Bauern als "Energie-Wirte" ein Zubrot verdienen, indem sie auf Stilllegungsflächen Energie- Pflanzen anbauten und diese zum Heizen an Schulen, Krankenhäuser, Kindertagesstätten oder Betriebe verkauften.
Nahezu zehn Prozent des heutigen Bedarfs an Wärme und Strom könnten nach Einschätzung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in Gülzow bei Güstrow künftig aus Biomasse gedeckt werden. Nach Angaben des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) wurden im Jahr 2001 in Deutschland rund 36 Milliarden Kilowattstunden (2000: 35,5 Mrd. kWh) Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt, die Menge deckte 7,25 Prozent (2000: 7,1) des Stromverbrauchs. Allein die Biomasse- und Müllkraftwerke produzierten 4,9 Milliarden Kilowattstunden (2000: 4,3 Mrd. kWh) Strom.