Urlaub trotz Krankschreibung
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Kaum ein Thema beschäftigt Arbeitnehmer so sehr wie die Frage, ob Urlaub trotz Krankschreibung gemäß Arbeitsrecht möglich ist. Viele buchen ihren Sommerurlaub schon im Januar oder Februar und freuen sich dann ein halbes Jahr auf die schönsten Wochen des Jahres. Was aber, wenn zwei Tage vor dem Abflug der Hals kratzt, Schüttelfrost eintritt und der Arzt dann noch Bettruhe verordnet? Dürfen Sie trotz Krankschreibung in den geplanten Urlaub fahren oder nicht?
Das Wichtigste in Kürze
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Urlaub während einer Krankschreibung ist erlaubt, sofern er die Genesung nicht behindert.
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Eine Rücksprache mit dem Arzt ist sinnvoll, um die medizinische Unbedenklichkeit der Reise zu belegen.
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Bei Auslandsreisen sollte der Arbeitgeber informiert werden; bei Krankengeldbezug ist die Zustimmung der Krankenkasse Pflicht.
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Wer trotz Krankschreibung reist und dadurch seine Genesung gefährdet, riskiert arbeitsrechtliche Konsequenzen.
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Wird die Krankschreibung als vorgetäuscht oder Betrug entlarvt, kann das zu einer Kündigung führen.
Verreisen trotz Krankschreibung: Das müssen Sie beachten
Die gute Nachricht zuerst: Grundsätzlich dürfen Beschäftigte, die krankgeschrieben sind, in den Urlaub fahren. Einige Regeln sollten Sie dabei jedoch beachten, um keine arbeitsrechtlichen Konflikte zu riskieren.
- Die Urlaubsreise sollte den Heilungsprozess nicht verzögern. Besser ist es, wenn die Reise und der Ortswechsel das Gesundwerden und die Erholung unterstützen. Ein Beispiel: Wer leicht erkältet ist, kann sich bei ruhigen Tagen an der Nordsee besser erholen als im stickigen Großstadtalltag.
- Gibt der Arzt eine Bestätigung, dass ein Urlaub trotz Krankheit medizinisch vertretbar ist, brauchen Sie als Arbeitnehmer keine rechtlichen Folgen fürchten.
Wann sollten Sie bei Arbeitsunfähigkeit nicht verreisen?
Wenn der Urlaub einer guten Genesung entgegensteht, ist es besser, darauf zu verzichten. Wer wegen einer Bänderdehnung oder wegen eines fast verheilten Beinbruchs arbeitsunfähig ist, wird die Verletzung kaum bei einem Aktiv-Wanderurlaub in den Alpen oder im Skiurlaub auskurieren. Solche Aktivitäten könnten den Zustand eher verschlechtern.
Für den Arbeitgeber kann ein solches Verhalten ein Grund für eine Abmahnung oder – im Einzelfall – für eine Kündigung sein, denn ein Antritt der Reise stellt in diesem Fall einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar.
Gesetzliche Pflicht zur Rücksichtnahme
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind als Vertragspartner verpflichtet, auf die Interessen des jeweils anderen Rücksicht zu nehmen. So sieht es das Bürgerliche Gesetzbuch in Paragraf 241 Absatz 2 vor. Dazu gehört es, bei Arbeitsunfähigkeit alles zu vermeiden, was die Genesung unnötig erschwert oder verzögert.
Das bestätigt auch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Die Richter sahen die Kündigung eines Arbeitnehmers als rechtens an. Dieser war aufgrund einer Hirnhautentzündung krankgeschrieben, fuhr in dieser Zeit aber in den Skiurlaub (BAG Urteil vom 2. März 2006 - AZ 2 AZR 53/05).
Kündigung braucht stichhaltige Gründe
Eine fristlose Kündigung nur wegen eines Urlaubs während der Krankschreibung ist jedoch in den meisten Fällen nicht zulässig. Diese kann nur erfolgen, wenn noch weitere Gründe vorliegen, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, etwa das Vortäuschen einer Krankheit.
Wie hilft eine Rechtsschutzversicherung?
Sollte es aufgrund eines Missverständnisses nach einer Urlaubsreise während der Krankschreibung zu einer Abmahnung vom Arbeitgeber oder einer Kündigung kommen, ist die Rechtsschutzversicherung ein Sicherheitsschirm, der Ihnen hilft: mit Beratungsleistung und im Ernstfall auch mit anwaltlichem Beistand. Gerade im Streit mit dem Arbeitgeber schützt sie Sie vor hohen Kosten.
Wird die Krankschreibung durch den Urlaub aufgehoben?
Viele Arbeitnehmer wissen: Wer während eines genehmigten Urlaubs erkrankt, verliert keine Urlaubstage. Eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit verhindert, dass die jeweiligen Tage vom Jahresurlaub abgezogen werden. Dies ist in Paragraf 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) klar geregelt.
Arbeitsunfähigkeit und Urlaub schließen sich rechtlich aus. Wer krankgeschrieben ist, kann keinen Urlaub nehmen. Dieser ist dafür gedacht, dass gesunde Arbeitnehmer in der Auszeit neue Kraft für den Job tanken. Bei einer Krankschreibung steht hingegen die Genesung im Vordergrund.
Deshalb werden in dieser Zeit auch keine Urlaubstage angerechnet. Der Anspruch auf freie Tage zur Regeneration bleibt erhalten und kann später genutzt werden – wenn Sie wieder gesund sind.
Was, wenn der Urlaub in die Zeit der Krankschreibung fällt?
Fällt ein geplanter Urlaub in die Zeit einer Krankschreibung, bleibt die Arbeitsunfähigkeit bestehen. Der Urlaub "unterbricht" die Krankheitszeit nicht oder hebt sie auf.
Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat drei Wochen Urlaub beantragt, wird aber für die ersten vier Tage krankgeschrieben. Diese vier Tage gelten dann als Krankschreibung und werden nicht vom Jahresurlaub abgezogen. Sie bleiben als Urlaubsanspruch erhalten.
Urlaub trotz Krankschreibung wegen Depression
Nach Angaben der Deutschen Depressionshilfe erkranken im Laufe eines Jahres etwa 8,2 Prozent der erwachsenen Deutschen (18 bis 79-Jährige) an einer depressiven Störung. Das sind etwa 5,3 Millionen Menschen.
Psychische Erkrankungen dieser Art dauern oft recht lang. Ein Ortswechsel kann sich im Einzelfall positiv auf das Wohlbefinden auswirken. Es wird jedoch empfohlen, den Urlaub zuvor mit dem Arzt oder der Ärztin abzustimmen. Mit einer ärztlichen Bestätigung, dass der Urlaub unbedenklich ist, bestehen arbeitsrechtlich keine Bedenken gegen das Verreisen.
Urlaub trotz langer Erkrankung
Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer haben bei Krankschreibung Anspruch auf bis zu sechs Wochen Lohnfortzahlung durch ihren Arbeitgeber. Ab dem 43. Krankheitstag springt die Krankenkasse mit dem Krankengeld ein.
Bei Bezug von Krankengeld ist es wichtig, ob der Urlaub in Deutschland oder im Ausland stattfindet.
Urlaub im EU-Ausland nur mit Zustimmung der Krankenkasse
Laut Gesetz ruhen die Ansprüche auf Krankengeld, wenn sich der Begünstigte im Ausland aufhält. Diese Einschränkung entfällt aber, wenn Sie sich entsprechend Paragraf 16, Absatz 4, SGB V nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit von Ihrer Krankenkasse eine Zustimmung für den Aufenthalt im Ausland holen. Die Kassen sind zur Zustimmung verpflichtet, wenn sich der Aufenthaltsort im Ausland innerhalb der Europäischen Union befindet (Bundessozialgericht, AZ B 3 KR 23/18 R).
Wichtig bei Reisen außerhalb der EU
Wenn Sie während Ihrer Krankschreibung in ein Land außerhalb der EU reisen, wird das Krankengeld für diesen Zeitraum in der Regel nicht ausgezahlt. Sprechen Sie vorab unbedingt mit Ihrer Krankenkasse, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.
Muss ein Tag zwischen Arbeitsunfähigkeit und Urlaub liegen?
Hartnäckig hält sich die Überzeugung, dass zwischen Krankschreibung und Urlaub mindestens ein Tag liegen muss. Dabei gibt es arbeitsrechtlich keine Regelung und folglich auch keine Konsequenzen, wenn die Arbeitsunfähigkeit genau zu Beginn des geplanten Urlaubs endet. Somit ist ein nahtloser Übergang von der Krankschreibung zum zuvor genehmigten Urlaub möglich.
Kann eine Krankschreibung überprüft werden?
Private Arbeitgeber haben keine direkte Möglichkeit, die Angaben in der Krankschreibung zu überprüfen.
Im öffentlichen Dienst ist das anders: Je nach Tarifvertrag dürfen Arbeitgeber bei begründetem Verdacht eine Untersuchung durch einen Amtsarzt beziehungsweise das Gesundheitsamt veranlassen, um die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters prüfen zu lassen.
Auch die Krankenkassen können laut Paragraf 275 SGB V eine sogenannte gutachtliche Stellungnahme vom Medizinischen Dienst anfordern, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers geklärt werden sollen.
Derartige Prüfungen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könnten erfolgen, wenn beispielsweise ein Mitarbeiter auffällig oft im Urlaub krank ist.
Trotz Krankschreibung in den Urlaub: Das gilt es zu beachten
Ob Urlaub trotz der Arbeitsunfähigkeit problemlos möglich ist oder nicht, hängt vom Einzelfall ab. Damit es im Zweifelsfall nicht zu Missverständnissen oder rechtlichen Konflikten kommt, sollten Sie Folgendes beachten:
Vor Reiseantritt:
- Lassen Sie sich vom Arzt bestätigen, dass die Reise medizinisch vertretbar ist.
- Holen Sie bei Krankengeldbezug oder Auslandsreisen die Zustimmung der Krankenkasse ein.
- Sie können Ihren Arbeitgeber informieren, falls Unsicherheiten bestehen. Das ist keine Pflicht, aber so lassen sich Zweifel und Missverständnisse vermeiden.
Während des Urlaubs krank geworden?
- Lassen Sie sich die Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigen, auch im Ausland.
- Informieren Sie Ihren Arbeitgeber umgehend über die Erkrankung, bei Urlaub im Ausland inklusive Angabe des Aufenthaltsorts (Urlaubsadresse).
Nur so bleibt Ihr Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehen.
Krankgeschrieben in den Urlaub: Welche Versicherung zahlt?
Die folgende Übersicht zeigt, welche Absicherung in welchem Fall greift.
Versicherung
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Was zahlt sie?
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Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) | Übernimmt Behandlungskosten im Inland und in der EU. Bei Krankengeldbezug: Zustimmung der Kasse für Auslandsurlaub nötig. |
Private Krankenversicherung (PKV) | Trägt Kosten je nach Tarif – meist auch für Behandlungen im Ausland. Auslandsschutz vor Reise prüfen. |
Auslandskrankenversicherung | Deckt medizinische Leistungen außerhalb der EU und meist auch den Krankenrücktransport nach Deutschland ab. |
Rechtsschutzversicherung | Übernimmt Anwalts- und Verfahrenskosten bei Streit mit Arbeitgeber oder Krankenkasse. |
Gut zu wissen: Wer im Ausland erkrankt, sollte sich schnell ärztlich behandeln lassen und das Attest aufbewahren. Dann sind Erstattungen und Lohnfortzahlungen gesichert.
Urlaub trotz Krankschreibung bei Beamten
Für Beamte gelten arbeitsrechtlich oft andere Bedingungen als für Angestellte. Beim Thema Urlaub trotz Krankschreibung gibt es für sie aber keine Besonderheiten zu berücksichtigen: Auch Beamte dürfen verreisen, obwohl sie noch krank sind.
Sie sollten sicherheitshalber ebenfalls vor Reiseantritt ein ärztliches Attest einholen, aus dem hervorgeht, dass der Reise aus medizinischer Sicht nichts entgegensteht. Sollte der Dienstherr die Reise während der Krankschreibung im Nachhinein kritisieren, können sie nachweisen, dass sie nichts getan haben, was der Genesung entgegenstand.