Frankfurt/Main (dpa) - Nach dem Machtwechsel in Nordrhein- Westfalen und der Ankündigung von Neuwahlen im Bund dürfte vor allem die Frage nach der künftigen Energiepolitik für Spannung sorgen. In kaum einem anderen Bereich profilierten sich die Grünen in den vergangenen Jahren ihrer Regierungsverantwortung so stark wie hier. Ob Atomausstieg oder Förderung von Solar- und Windenergie: Bei ihrem Herzensthema wollten die Grünen möglichst schnell Zählbares vorweisen, auch wenn die Basis die eine oder andere Kröte schlucken musste.
Die im Sommer 2000 vereinbarten langen Restlaufzeiten für Atomkraftwerke zum Beispiel stiessen nicht wenigen Parteimitgliedern sauer auf. Doch der Anfang vom Ende der deutschen Atomkraftwerke war besiegelt. Mit dem so genannten
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im gleichen Jahr und seiner Weiterentwicklung 2004 wollte Rot-Grün alternativen Energien zum Durchbruch verhelfen.
Das Gesetz sieht die garantierte Einspeisung von Strom aus Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Erdwärme in die Netze der grossen Versorger vor - und das zu Preisen, die einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen ermöglichen. Die Kosten werden auf alle Verbraucher umgelegt. Zusätzlich werden Anlagen zum Beispiel zur Produktion von
Solarzellen bezuschusst. So soll sich der Strom-Anteil erneuerbarer Energien bis 2010 gegenüber 2000 auf rund zwölf Prozent verdoppeln. Im Jahr 2003 lag der Anteil laut Bundesumweltministerium bei rund acht Prozent.
Das Gesetz bescherte Anbietern alternativer Energietechnik in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom. Doch
Aktien wie die des Solartechnikanbieters Solarworld gingen am Montag angesichts der Aussicht auf vorgezogene Bundestagswahlen und einen Regierungswechsel prompt in die Knie. So gaben die im TecDAX gelisteten Solarworld- Aktien um 10 Prozent nach. Auch Conergy oder Plambeck liessen kräftig Federn. Die Papiere der traditionellen Versorger
E.ON und RWE legten hingegen zu. Börsianer jedenfalls rechneten im Falle eines Regierungswechsels mit einer Einschränkung der staatlichen Förderung.
Die betroffenen Unternehmen bemühten sich um demonstrative Gelassenheit. Die Förderung werde sich auch nach einem möglichen Regierungswechsel im Herbst nicht ändern, erwartet Solarworld-Chef Frank Asbeck. "Unter einer CDU-Regierung in Nordrhein-Westfalen und im Bund würden die Gesetze nicht modifiziert werden." Es gebe quer durch alle Parteien einen breiten Konsens, dass die alternativen Energien benötigt und gefördert werden müssten. Dies gelte auch für die CDU und FDP, sagte Asbeck. Auch bei Conergy hiess es, "wir erwarten, dass die Förderung der
Solarenergie weiter gehen wird".
"Einen Kurswechsel wird sich die Bundesregierung nicht leisten können", sagte der Geschäftsführer der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS), Carsten Körnig. Auch die CDU werde die internationale Marktführerschaft der deutschen Solarenergieunternehmen nicht aufs Spiel setzen. Es gebe mittlerweile mehr als 30 000 Arbeitsplätze in der Solarenergie. Die Mehrheit davon sei in den vergangenen 10 Jahren geschaffen worden.
Die Stromkonzerne E.ON, RWE und EnBW gaben sich am Montag zugeknöpft. Eine Sprecherin des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) sagte, entscheidend für die Stromwirtschaft in Deutschland sei langfristige Planungssicherheit. In den nächsten Jahren stehe die Branche vor milliardenschweren Investitionen in Netze und Kraftwerke. Umso wichtiger sei es zu wissen, wohin die Reise gehe. In der Frage des Atomausstiegs erwarte der Verband keine Änderungen. "Es gibt eine Vereinbarung, und die Unternehmen werden sich daran halten."
Umweltschützer reagierten skeptischer. In den vergangenen Jahren habe es einige Fortschritte im Energiebereich gegeben, sagte Stefan Schurig von Greenpeace. Eine neue Regierung dürfe diese nicht aufs Spiel setzen. So müssten sich CDU und FDP "grundsätzlich von der Atomenergie abwenden". Dies sei bislang ausgeblieben. Die Förderung alternativer Energien müsse beibehalten werden. "Wenn man am EEG schraubt, wäre das ein fataler Rückschritt."