Spitzengespräch zur Energiepolitik beim Kanzler
Stand: 14.08.2003
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Berlin (dpa) - Zu einer Art "Energie-Gipfel" empfängt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) heute (Donnerstag) Abend die Vorstandschefs der vier grossen Stromversorger. Offiziell soll das Spitzentreffen vor allem dem Kennenlernen dienen, weil drei Top- Manager ihre Aufgaben erst kürzlich übernommen haben. Nach Angaben des Kanzlers stehen Entscheidungen auch gar nicht an. Es dürfte aber unter anderem um den künftigen "Energiemix" in Deutschland gehen.
Vor dem Treffen in Berlin warnten führende Vertreter der Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen den Kanzler vor langfristigen Absprachen mit den Energiekonzernen. "Die alten, auf Kohle basierenden Strukturen dürfen nicht zementiert werden", sagte SPD- Fraktionsvize Michael Müller der "Berliner Zeitung" (Donnerstag). Vielmehr brauche Deutschland künftig einen Mix aus effizienten Kraftwerken, Ökostrom und Energiesparen.
Grünen-Fraktionsvize Reinhard Loske sagte: "Es kann nicht angehen, dass wie beim Atomkonsens Absprachen zwischen der Regierung und der Grossindustrie getroffen werden." Das Treffen sei ein Versuch der Stromkonzerne, politische Garantien für den Bau neuer Kohle- Grosskraftwerke zu erhalten. Dieses Vorgehen würde die bereits beschlossenen Klimaziele in weite Ferne rücken und das Parlament faktisch ausschalten.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie und Energie, Hubertus Schmoldt, warnte die Konzernchefs, die Gespräche mit Forderungen zu belasten. Eine solche Profilierung sei "völlig falsch".
Vor dem Spitzentreffen war am Mittwoch ein Streit über die künftige Energiepolitik ausgebrochen. Schröder wies die Kritik aus Reihen der Grünen an der Nicht-Einladung von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) zurück. Trittin - zuständig für erneuerbare Energien - reagierte gelassen: Das Treffen werde "von interessierter Seite hochgespielt". Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Schmoldt nehmen dagegen teil.
In einem Interview der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" bekräftigte Trittin die Absicht, den Anteil von Ökostrom am gesamten Stromverbrauch in Deutschland bis 2010 von derzeit 8 auf 12,5 Prozent steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, will der Minister Windparks auf dem Meer, Solaranlagen auf Freiflächen und grosse Wasserkraftwerke besonders fördern.
Zwischen dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und Trittin brach indes Streit aus. Der BDI wies nach einem Zeitungsbericht in scharfer Form die Drohung des Ministers zurück, die Ökosteuer für Unternehmen zu erhöhen. Gleichzeitig forderte der Verband Bundeskanzler Schröder auf, derartige Vorstösse seines Minister zu unterbinden. "Die Absprachen zum Klimaschutz sind mit der Bundesregierung und nicht mit Herrn Trittin allein getroffen worden", sagte der Chef der BDI-Abteilung Energiepolitik, Niels Lau, der "Berliner Zeitung" (Donnerstag).
Zudem seien die Einlassungen des Ministers kontraproduktiv, da sie die Bemühungen einzelner Unternehmen um eine Reduktion des Kohlendioxid-Ausstosses beeinträchtigen könnten. Trittin hatte zuvor gedroht, Vergünstigungen für Firmen bei der Ökosteuer zu streichen. Dieser Schritt könne notwendig werden, wenn es der Industrie nicht gelinge, den Ausstoss des Klimakillers Kohlendioxid im zugesicherten Masse zu verringern.