Erfurt/Jena (dpa/th) - Die Agrargenossenschaft Nöbdenitz im Altenburger Land macht Strom aus Gülle. Auf dem Hof mit 1.500 Zuchtschweinen steht eine 340.000 Euro teure Biogasanlage, die jeden Tag rund 2.400 Kilowattstunden in das Stromnetz speist - fast so viel, wie ein Durchschnittshaushalt im Jahr verbraucht. Die Tierexkremente werden mit extra zum Verstromen angebautem Getreide vermischt, um die Energieausbeute zu erhöhen. Nach Angaben des Agrarministeriums gibt es allein in Thüringen rund 40 Biogasanlagen - Tendenz steigend.
"Mindestens 50 weitere werden derzeit geplant oder gebaut", sagt Gerd Reinhold von der Landesanstalt für Landwirtschaft in Jena. Wenn die gesamte anfallende Tiergülle genutzt würde, könnten es locker 150 sein, so der Biogasexperte. Mit diesem Trend ist Thüringen nicht allein: Bundesweit stieg die Zahl der Biogasanlagen von 1990 bis heute um das Fünfundzwanzigfache auf 2.500 Anlagen. Ende 2005 werden es 4.000 sein, prognostiziert Hans-Peter Gottfried vom Fachverband Biogas.
Ein Grund für den Boom ist die üppige Förderung. Viele der Anlagen produzieren neben
Strom auch Wärme. Dazu braucht es Blockheizkraftwerke, die vom Thüringer Wirtschaftsministerium mit einer Investitionszulage gefördert werden können. Das Gros der Förderung kommt vom Bund. Mit dem novellierten Erneuerbaren-Energien- Gesetz vom August 2004 wird jede eingespeiste
Kilowattstunde Strom mit 8,4 bis 11,5 Cent entlohnt. Werden in der Anlage neben Gülle auch nachwachsende Rohstoffe wie Mais oder Getreide verwendet, erhöht sich die
Einspeisevergütung um vier bis sechs Cent.
Werner Neumann, stellvertretender Energiesprecher beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland findest es "grundsätzlich bedenklich, dass extra Mais oder Getreide angebaut werden, um sie in Biogasanlagen zu verwerten". Keinesfalls dürfe es soweit gehen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen zum Einsatz kommen. Laut Reinhold von der Landesanstalt für Landwirtschaft droht jedoch auch in Zukunft keine "Maiswüste" für die alternative Energieerzeugung.
Bauern können dem neuen Trend Gutes abgewinnen. "Damit eröffnet sich den Landwirten ein vollkommen neues Betätigungsfeld", sagt Volker Schulze vom Thüringer Bauernverband. Die durch ständig fallende Erzeugerpreisen für Getreide oder Fleisch gebeutelten Landwirte könnten sich so ein zweites Standbein aufbauen. "
Biogas ist für den Bauern das dreizehnte Milchgeld."
Experten sind sich einig, dass der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen in Biogasanlagen hilft, den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren. Zudem würden fossile Kraftstoffquellen geschont, sagt Biogasexperte Reinhold. Mit ihrer Förderung will die Bundesregierung, den Anteil
erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis 2020 auf mindestens ein Fünftel auszubauen. Die Einspeisevergütung wird über ein kompliziertes Umlageverfahren an die Stromverbraucher weitergeben, sagt der Sprecher der Thüringer Energie AG (TEAG), Olaf Werner. In das TEAG-Netz fliesse Strom von 38 Biogasanlagen. 2003 waren es 38 Millionen Kilowattstunden.
Nach einer 2001 veröffentlichten Studie der Prognos AG Basel könnten 2020 in Deutschland knapp 28.000 Menschen in der Bio-, Deponie- und Klärgasbranche direkt und indirekt Arbeit finden. Zudem haben Biogasanlagen auch einen praktischen Nutzen: "Die Geruchsreduzierung der Gülle auf zehn Prozent ist sehr angenehm", weiss Landwirt Gerd Junghanns von der Biogasanlage Nöbdenitz.
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