E.ON erhält Ruhrgas-Anteil von RAG im Tausch gegen Degussa-Mehrheit
Stand: 21.05.2002
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Essen/Bonn (ts/dpa) - Europas zweitgrösster Energiekonzern E.ON kann Deutschlands führenden Gashändler Ruhrgas übernehmen, wenn jetzt noch die Bundesregierung dem Milliardengeschäft zustimmt. Am Dienstag fädelten E.ON und Ruhrgas-Teilhaber RAG ein Tauschgeschäft ein: E.ON gibt für die Ruhrgas-Anteile der RAG seine Beteiligung am Spezialchemiekonzern Degussa her. Nach dem Veto des Bundeskartellamts wird nun der Bundeswirtschaftsminister - voraussichtlich im Juli - entscheiden, ob ein Aufstieg von E.ON zur Nummer eins im Gasgeschäft die Verbraucher schädigt. Minister Werner Müller wollte sich am Dienstag nicht zu dem Thema äussern.
Unterdessen hat nach dem Bundeskartellamt auch die Monopolkommission der Bundesregierung die Ruhrgas-Übernahme durch E.ON aus Wettbewerbsgründen abgelehnt. Das unabhängige Gremium sieht "gravierende Wettbewerbsbeeinträchtigungen" im Gas- und Strommarkt durch Marktbeherrschung von E.ON und Ruhrgas. Dem stünden "keine Gemeinwohlgründe mit hinreichendem Gewicht gegenüber". Die Empfehlung der Kommission ist nicht bindend für die Ministererlaubnis. E.ON bedauerte die Ablehnung. Das Unternehmen sei weiterhin davon überzeugt, dass die Übernahme erhebliche gesamtwirtschaftliche Vorteile bietet, erklärte ein Sprecher. Die Aktie von E.ON fiel bis zum frühen Nachmittag um 1,14 Prozent auf 56,46 Euro.
Kommt der Tausch zu Stande, bedeutet das eine tief greifende Neuausrichtung der RAG, die unter anderem über ihre Tochter Deutsche Steinkohle AG Betreiberin aller zehn verbliebenen deutschen Steinkohlezechen ist. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der Konzern, der mit der Rütgers AG bereits im Chemie-Sektor vertreten ist, einen Umsatz von 15,3 Milliarden Euro. Degussa ist das drittgrösste Chemieunternehmen Deutschlands. 2001 wurde ein Umsatz von 12,9 Milliarden Euro erzielt. Die Degussa-Aktie stieg bis zum Nachmittag um 3,91 Prozent auf 35,85 Euro.
"Die Transaktion ist für die RAG von erheblicher strategischer Bedeutung", sagte RAG-Chef Karl Starzacher. Degussa sei ein wachstums- und margenstarker Konzern, der weltweit gut positioniert sei. "Degussa bietet der RAG die Möglichkeit, in einem der wesentlichen Industriemärkte eine weltweit bedeutende Rolle zu besetzen." Ein vollständiger Erwerb sei nicht geplant. Degussa solle mit einem bedeutenden Streubesitz an der Börse notiert bleiben. Ausserdem werde die RAG die von Degussa eingeleitete Konzentration auf die margenstarke Spezialchemie aktiv unterstützen. "Die finanziellen Ressourcen und Spielräume von Degussa bleiben von der geplanten Transaktion unbeeinträchtigt."
Die Degussa-Übernahme soll in zwei Schritten erfolgen. Zunächst strebt RAG eine Kontrollmehrheit von mindestens 30 Prozent an Degussa an. Dazu werde allen Degussa-Aktionären ein Angebot von 38 Euro je Aktie gemacht. Ausserdem werde E.ON so viele Degussa-Aktien an RAG abgeben, dass nach Abschluss des Verfahrens beide Unternehmen in gleicher Höhe an Degussa beteiligt seien, teilte E.ON in Düsseldorf mit. In der zweiten Stufe werde E.ON zum gleichen Preis dann weitere Degussa-Anteile an RAG übertragen, so dass RAG insgesamt 50,1 Prozent der Degussa-Anteile hält. Dies sei für den 31. Mai 2004 geplant. Die Abgabe der danach noch bei E.ON verbliebenen Aktien soll vorzugsweise über die Börse erfolgen.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat den geplanten Verkauf der E.ON-Tochter Degussa an den Bergbaukonzern RAG begrüsst. "Die RAG bekommt damit eine völlig neue Perspektive", sagte DSW-Geschäftsführer Jörg Pluta in Düsseldorf der dpa. Der Schwerpunkt der RAG werde sich durch die Degussa AG von der Grundstoffindustrie zur Chemie hin verlagern. Auch die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) begrüsste die geplante Übernahme. "Die Beschlüsse sind ein wichtiger Schritt für die industriepolitische Zukunft der RAG und damit auch die Sicherung des heimischen Steinkohlenbergbaus", sagte IG-BCE-Chef Huber