Karlsruhe/Salzgitter (dpa/lni) - Eigentlich sollte das Endlager "Schacht Konrad" für schwach- und mittelradioaktive Abfälle bereits 1989 in Niedersachsen in Betrieb genommen werden. Doch 1989 hiess es: Das dauert noch bis 1994. Auch 1994 wurde nichts daraus - als neuer Termin wurde 1999 genannt. Das ging so weiter bis heute. Die Folgen sind im Forschungszentrum Karlsruhe zu besichtigen: Anfang der 80er Jahre wurden dort zwei Hallen zur Zwischenlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle gebaut, 1994 eine dritte und 2003 eine vierte Halle. Wird aus dem Zwischenlager ein Endlager?
"Nein", sagt Luis Valencia, der Leiter der Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe im Forschungszentrum. Doch auch er wird langsam ungeduldig: "Von den Abfällen geht bei uns zwar keine Gefahr aus, aber wir wollen sie nicht länger als notwendig behalten." Strahlender Müll soll nicht länger als 30 Jahre vor Ort zwischengelagert werden. Diese Frist wird in Karlsruhe sicher überschritten.
Schon jetzt liegt hier mehr
Atommüll als in jeder anderen oberirdischen Anlage in Deutschland: 58.000 Kubikmeter, unter anderem aus stillgelegten Reaktoren. 65.000 Fässer, davon 7.250 einzeln und der Rest in 8.850 Containern, stapeln sich bis unter die Decke - und ständig kommt neues Material hinzu.
Die Verstopfung ist politisch bedingt: Die Bundesregierung will nur ein
Endlager für alle Arten atomarer Abfälle - kein gesondertes Lager für schwach- und mittelradioaktives Material, wie es im ehemaligen Eisenerzbergwerk "Schacht Konrad" 2002 bereits genehmigt wurde. Kritiker sehen darin eine grundsätzliche Verhinderungstaktik: Der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin wolle erst gar nicht in die Verlegenheit kommen, ein in der Bevölkerung unbeliebtes Endlager ausweisen zu müssen. Den Schwarzen Peter wolle er lieber einer späteren, schwarz geführten Regierung zuschieben.
Experten wie Valencia halten sich mit solchen politischen Äusserungen zurück, zumal das Forschungszentrum zu 90 Prozent dem Bund gehört und zu 10 Prozent dem Land Baden-Württemberg. Doch er führt technische Argumente gegen Trittin ins Feld: "Hoch radioaktiver Abfall strahlt viel mehr Wärme ab als schwach- und mittelradioaktiver." Diese unterschiedlichen Temperaturniveaus in einem einzigen Endlager brächten grosse Probleme mit sich.
Wie die beiden Klassen atomarer Abfälle getrennt werden, lässt sich derzeit in der stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe beobachten, die ebenfalls auf dem Gelände des Forschungszentrums steht. Für weit mehr als eine Milliarde Euro wird die komplette Anlage abgebaut. Am Ende soll dort nur noch eine grüne Wiese übrig bleiben. Alles, was irgendwie radioaktiv verseucht ist - von der kleinsten Schraube bis zur grössten Betonmauer - wird entweder gereinigt oder zerkleinert und endlagergerecht verpackt.
Im nächsten Jahr soll die Verglasung der "Atomsuppe" beginnen - 67.000 Liter hoch radioaktive Flüssigkeit. Bei 1180 Grad Celsius wird sie mit Glaskügelchen vermengt. Später sollen die "Glaskokillen" in
Castor-Behälter gepackt und in ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle gebracht werden - wofür einmal der Salzstock in Gorleben vorgesehen war. Wann wird es soweit sein? Darauf gibt niemand eine klare Antwort. Die Experten in Karlsruhe sind mit Zeitplänen vorsichtig geworden.