Teil der Atomanlage Sellafield nach Unfall stillgelegt [Update]
Stand: 10.05.2005
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London/Berlin (dpa) - Ein Teil der umstrittenen britischen Atomanlage Sellafield ist nach einem Unfall stillgelegt worden. Die britische Atomaufsichtsbehörde NII bestätigte dem deutschen Umweltministerium, dass nach einem Rohrbruch etwa 20 Tonnen "eines hochaktiven Uran-Plutonium-Gemisches" in Salpetersäure in eine Auffangwanne geflossen seien. Für Menschen und Umwelt bestehe keine Gefahr, teilte die Betreibergesellschaft British Nuclear Group mit. Wie die Zeitungen "The Times" und "The Guardian" am Montag berichteten, ereignete sich der Unfall bereits im vergangenen Monat.
Der Plutonium-Anteil der ausgelaufenen Säure beträgt nach Informationen der "Times" 200 Kilogramm, "was für 20 Atombomben ausreichen würde". Die "hochgiftige Mischung" (Guardian) floss den Angaben zufolge in einen vollständig abgedichteten Raum. Dort könne sie zwar keinen Schaden anrichten, doch werde es ein kostspieliges und langwieriges Unterfangen sein, den Raum zu säubern, berichteten die Zeitungen. Möglicherweise müssten dafür erst noch Spezialroboter gebaut werden.
Der norwegische Umweltweltminister Arild Hareide forderte "politische Konsequenzen" aus dem Unfall. "Dies zeigt deutlich die Risiken der Atomkraft, und dass sie keine dauerhafte Lösung sein kann", sagte Hareide in Oslo. Die Regierungen der skandinavischen Länder längs der Nordseeküste haben seit den achtziger Jahren immer wieder vergeblich in London gegen den Betrieb der Anlage zur Wiederaufbereitung von radioaktivem Material protestiert und auch die Stilllegung verlangt.
Doch davon ist in Grossbritannien keine Rede. Die Regierung von Premierminister Tony Blair könnte sich demnächst sogar für den Bau neuer Atomkraftwerke entscheiden. Allerdings gibt es darüber nach Zeitungsberichten Streit im Kabinett. Blair selbst hat gesagt, dass er grundsätzlich für Atomkraft sei, aber noch nichts entschieden habe. Umweltministerin Margaret Beckett soll den Bau neuer Kraftwerke dagegen ablehnen. Stattdessen wolle sie strengere Auflagen für die Schwerindustrie durchsetzen. Wenn nichts Einschneidendes passiert, wird Grossbritannien sein Ziel, den Ausstoss von Schadstoffen, die das Klima verändern, bis 2010 im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent zu senken, nicht erreichen.
Das seit Jahrzehnten heftig umstrittene Atomzentrum Sellafield (früher Windscale) an der Nordwestküste Englands ist neben dem französischen La Hague die grösste Wiederaufarbeitungsanlage für Atombrennstäbe in Europa. 1957 ereignete sich in Windscale nach Ansicht von Experten einer der grössten nuklearen Unfälle vor Tschernobyl: Ein Brand konnte erst nach drei Tagen gelöscht werden; eine atomare Wolke zog über Grossbritannien hinweg.
Stichwort: Sellafield
Die Atomanlage Sellafield im Nordwesten Englands ist seit Jahrzehnten umstritten. Bei der Wiederaufarbeitung von atomaren Brennstoffen wurden hier grosse Mengen radioaktive Stoffe in die Irische See geleitet. Das Meer wurde zu einer atomaren Müllkippe. Die Strömung trieb nukleare Partikel sogar bis an die Küsten Norwegens.
Der schwerste Zwischenfall in der früher nach dem Nachbarort Windscale benannten Anlage ereignete sich im Oktober 1957. Damals brach in einem zum Bau von Bombenplutonium genutzten Reaktor ein Feuer aus. Beim Versuch, den Brand zu löschen, entwichen radioaktive Gase in die Atmosphäre und verseuchten ein Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern. Zeitweilig war hier die Milcherzeugung verboten. Der Reaktor wurde stillgelegt.
Heute gibt es in Sellafield zwei Aufarbeitungsanlagen für atomare Abfälle aus britischen und ausländischen Reaktoren. Trotz verbesserter Methoden gelangen immer noch erhebliche Mengen verseuchtes Wasser ins Meer. Atomgegner prangern auch die von Sellafield ausgehende Verstrahlung der Atmosphäre an. Sie soll für die Häufung von Krebsfällen in der Grafschaft Cumbria verantwortlich sein. Im Februar dieses Jahres sorgte ein Prüfbericht für Unruhe. Danach sind im Jahr 2