Kernfusionsanlage in Greifswald wird weiter ausgebaut
Stand: 17.03.2020
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: Verivox
Die Fusionsanlage Wendelstein 7-X im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald wird weiter ausgebaut. Durch eine wassergekühlte Innenverkleidung des Plasmagefäßes soll die Anlage eine höhere Heizleistung und längere Plasmapulse aushalten können. Die umfangreichen Montagearbeiten werden bis weit in das nächste Jahr dauern. Wendelstein 7-X, die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator, soll die Kraftwerkseignung dieses Bautyps untersuchen.
Experimentstopp seit zwei Jahren
Ende 2018 wurden die Experimente an Wendelstein 7-X nach zwei erfolgreichen Arbeitsphasen zunächst ausgesetzt. Seither läuft der Umbau im Plasmagefäß. „Erst einmal musste das meiste heraus. Jetzt kann der Einbau der neuen Teile beginnen“, sagt Prof. Dr. Hans-Stephan Bosch, dessen Bereich für den technischen Betrieb der Anlage zuständig ist.
Der wichtigste Teil der neuen Wandverkleidung ist der sogenannte Divertor, er ist die am höchsten beanspruchte Komponente im Plasmagefäß. In zehn breiten Doppel-Streifen an der inneren Wand des Gefäßes folgen die Divertor-Platten der geschwungenen Kontur des Plasmarandes. Sie schützen genau die Wandbereiche, auf die Teilchen aus dem Rand des Plasmas magnetisch hingelenkt werden.
Anspruchsvolle Wärmeabfuhr
Die neuen wassergekühlten Divertor-Platten sollen bei den kommenden Hochleistungsexperimenten einer Belastung bis zu zehn Megawatt pro Quadratmeter standhalten. Das ist vergleichbar mit dem Space-Shuttle beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Ohne Wasserkühlung könnten die hitzebeständigen Ziegel aus kohlefaserverstärktem Kohlenstoff dieser Belastung nicht für die gesamte geplante Dauer. Deshalb sind sie auf wassergekühlte Platten aus einer Kupfer-Chrom-Zirkon-Legierung aufgeschweißt. Das von stählernen Röhrchen zugeführte Kühlmittel sorgt für den Abtransport der Wärmeenergie.
Großes Präzisions-Puzzle
Jeder der zehn gebogenen Divertor-Streifen besteht aus zwölf dieser Platten, die sich wiederum aus Einzelelementen zusammensetzen. Insgesamt bestehen diese 890 Elemente aus fast einer halben Million Einzelteilen. Die Hochleistungsbauteile stehen am Ende einer langen Entwicklungs-, Fertigungs- und Prüfarbeit des Integrierten Technikzentrums (ITZ) und der Arbeitsgruppe „Komponenten im Plasmagefäß“ im IPP in Garching in Zusammenarbeit mit Industriebetrieben.
„Besonders herausfordernd war die komplexe Geometrie der Bauteile bei der verlangten hohen Genauigkeit und Zuverlässigkeit“, erklärt IPP-Ingenieur Dr. Jean Boscary, der die Herstellung und das Zusammenfügen des „großen Puzzles“ leitete. Herausfordernde Montage In Greifswald ist für den Einbau der neuen Hochleistungsbauteile vorbereitet: Insbesondere sind die Rohrverbindungen in das Plasmagefäß montiert, insgesamt 4,5 Kilometer.
„Inzwischen haben wir damit begonnen, die komplex geformten Wasserleitungen zu legen, die die letzten 40 Zentimeter zwischen der Gefäßwand und den Divertor-Platten überbrücken“, erklärt Montageleiter Dr. Lutz Wegener. Auf deren Anschlüsse müssen die Platten später genau passen. Obwohl die extrem kniffligen Arbeiten zuvor im Eins-zu-Eins-Modell geübt wurden – „quasi eine doppelte Montage“, so Dr. Wegener – gibt es beim Einbau der 240 Passrohre immer wieder Überraschungen. Die große Enge zwischen den Bauteilen macht das Schweißen, für das ohnehin eine spezielle Präzisionstechnik anzuwenden ist, zu einer Herausforderung.
Neustart im kommenden Jahr
Voraussichtlich Ende 2021 kann der Plasmabetrieb wieder starten. Geplant ist, zunächst mit geringer Wasserkühlung, kleiner Heizleistung und kurzen Plasmapulsen zu beginnen, um nach der langen Experimentierpause alle Einbauten im Betrieb testen zu können. Mit voller Kühlung sollten danach längere Pulse mit Plasmaenergien bis zu einem Gigajoule möglich werden – ein Wert, an den man sich langsam heranarbeiten wird. Anstelle der bisher maximal hundert Sekunden langen Pulse mit Heizleistungen von zwei Megawatt und Plasmaenergien von 200 Megajoule soll der gekühlte Hochleistungsdivertor später bei voller Heizleistung bis zu 30 Minuten lange Pulse erlauben. Damit soll Wendelstein 7-X dann das wesentliche Plus der Stellaratoren demonstrieren, die Fähigkeit zum Dauerbetrieb.