Brüssel will Macht der Stromversorger brechen - Gegenwehr aus Berlin
Stand: 20.09.2007
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Brüssel/Berlin (dpa) - Die EU-Kommission will die Marktmacht der großen Energieversorger brechen und verspricht den europäischen Verbrauchern sinkende Strom- und Gaspreise. Auf prompten Widerstand stieß sie mit ihren Vorschlägen bei der Bundesregierung und der deutschen Energiebranche.
Die in Brüssel favorisierte Zerschlagung der Versorger wurde von der Bundesregierung und der deutschen Energiebranche zurückgewiesen. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) lobte zwar die Ziele der Kommission, kritisierte aber: "Die hohe Qualität und Sicherheit der deutschen Stromnetze darf nicht gefährdet werden. Das Paket ist insgesamt zu bürokratisch und führt zu einem hohen regulatorischen Aufwand." Nach den Worten von Energie-Staatssekretär Joachim Wuermeling lehnen insgesamt neun EU-Staaten, darunter Deutschland und Frankreich, eine eigentumsrechtliche Trennung von Netz und Erzeugung ab. In einem dpa-Gespräch plädierte er für den Aufbau eines unabhängigen Netzbetreibers. Damit werden die Branchenriesen voraussichtlich nicht ganz um eine Regulierung herumkommen.
In einigen EU-Staaten wie etwa Großbritannien sind Produktion und Transport von Energie bereits getrennt. Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes rechnete vor, dass die Strompreise vor Steuern für Endverbraucher in Deutschland deutlich höher lägen als in Großbritannien. "Deutsche Verbraucher zahlen 31 Prozent mehr", sagte Kroes. Dabei lägen die Großhandelspreise für Elektrizität niedriger: "Das zeigt, dass die Margen in Deutschland viel höher sind als im Vereinigten Königreich." Mehr Wettbewerb sei nur zu erreichen, wenn die Netze unabhängig von den Produzenten betrieben würden.
Die deutsche Energiebranche bestreitet das: "Der Vergleich mit Ländern, die diesen Weg bereits gegangen sind, zeigt: Die Abtrennung der Netze führt nicht zu mehr Wettbewerb, führt nicht zu höheren Investitionen in die Netze, führt nicht zu niedrigeren Preisen", sagte der Chef von Deutschlands Marktführer E.ON, Wulf Bernotat. Die Nummer zwei, der Essener Versorger RWE, äußerte deutliche Kritik. "Es muss schon sehr nachdenklich machen, wenn die Politik von Unternehmen Investitionen in Netze fordert und gleichzeitig deren Enteignung anstrebt", sagte der Chef der RWE-Energiesparte, Berthold Bonekamp. Der Vorstandschef des Energieversorgers EnBW, Utz Claassen, sagte, die Vorschläge würden weit über das Ziel hinausschießen. "Während Brüssel mehr Wettbewerb einfordert, soll durch die Hintertür faktisch staatliche Marktkontrolle eingeführt werden."
Umstritten ist, wie viel Macht ein unabhängiger Netzbetreiber erhalten soll. Rechtlich kompliziert wäre es, wenn börsennotierte Versorger wie E.ON oder RWE künftig bei milliardenschweren Investitionsentscheidungen überhaupt nicht mehr mitreden dürften. Netzentgelte, Großhandelspreise und Vertrieb machen rund 60 Prozent des Strompreises aus, der Rest entfällt auf Steuern und Abgaben. In Deutschland beherrschen E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall über 80 Prozent der Stromerzeugung und alle Fernleitungen.
Der Brüsseler Plan sieht auch Hürden für Konzerne aus Drittstaaten vor, die in der EU Leitungsnetze betreiben oder übernehmen wollen. Für sie gälten die gleichen Regeln, betonte Barroso. Die Verordnung solle zudem dafür sorgen, dass Drittländer ihre Märkte für Investoren aus