Abriss von Atomkraftwerk in Mülheim-Kärlich kommt langsam voran
Stand: 28.08.2006
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Mülheim-Kärlich (dpa) - Noch ist dem Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich bei Koblenz von außen nicht anzusehen, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat. Der rund 160 Meter hohe Kühlturm des stillgelegten Meilers ragt von weitem sichtbar aus der Landschaft. Daneben wölbt sich die kleinere Reaktorkuppel. Dort bildete einst der Reaktorkern mit den Brennelementen das Herz des 1300-Megawatt-Kraftwerks. Nach einer Gesamtbetriebszeit von 13 Monaten wurde die Anlage 1988 abgeschaltet. Vor zwei Jahren begann der Abbau des 500 000 Tonnen schweren Riesen. Nach Angaben von Kraftwerksleiter Walter Hackel sind mittlerweile rund fünf Prozent der Gesamtmasse abgebaut.
Die Entscheidung stößt bei Mitarbeitern des Kraftwerks bis heute auf Unverständnis. "Ich bin schon seit 1978 hier. Ich habe die Bauphase miterlebt, ein Jahr Betriebsphase und jetzt den Rückbau - die ganze Leidensgeschichte", erzählt Joachim Kurth. Jahrelang hätten sie gehofft, den Meiler doch wieder anfahren zu können. "Nach dem negativen Gerichtsurteil 1998 war für die meisten klar, dass Schluss ist", erinnert sich der 50-Jährige, der heute dazu beiträgt, dass der Restbetrieb, darunter die Strom- und Wasserversorgung, läuft. Einst war die Stammbelegschaft rund 500 Mann groß - jetzt halten noch rund 100 die Stellung, hinzu kommen Mitarbeiter von Fremdfirmen.
Zehn Jahre und Kosten in Höhe von 650 Millionen Euro sind für die Demontage veranschlagt. "Wenn jemand sagt, wir sollen so zurückbauen, dass hier am Schluss eine Obstplantage aufgebaut werden soll, müssen wir alles wegreißen", sagt Hackel. Solle aber beispielsweise ein konventionelles Kraftwerk entstehen, könnten vielleicht Bauwerke übernommen werden. Der Abbau sei technisch kein Problem. Nur die Reaktorkuppel bereitet den Rückbauspezialisten noch Kopfzerbrechen. "Die ist ja so gebaut, dass sie alles, was von außen kommt, aushält", gibt der Leiter zu Bedenken. Die Wände bestehen aus 1,8 Meter dickem Beton. Darunter verläuft eine 28 Millimeter starke Stahlschicht.
Noch ungelöst ist auch die Frage, was mit den etwa 3000 Tonnen radioaktivem Abfall passieren soll. Einige Elemente wie etwa der Reaktordruckbehälter sind laut Hackel so verstrahlt, dass sie nur noch Sondermüll sein können. Anderes wird dagegen gereinigt. Für den radioaktiven Abfall hat RWE ein atomares Zwischenlager in Mülheim-Kärlich beantragt. Dazu steht die Entscheidung des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums aber noch aus. 2002 wurden die letzten Brennelemente in die französische Wiederaufbereitungsanlage La Hague gebracht. Mit ihnen verschwanden laut Hackel 99 Prozent der im Meiler vorhandenen Radioaktivität.
"Wir bauen jetzt das ab, wo so gut wie kein radioaktiver Abfall anfällt", erklärt der Leiter. Das sind Motoren, Kabel, Isolierungen oder Notsysteme. Überall stehen Gitterboxen, die eine einheitliche Größe haben: 120 mal 80 mal 80 Zentimeter. Alle Gegenstände, die aus dem Kontrollbereich innerhalb der Kuppel kommen, werden in die Boxen gepackt, die über Barcodes eindeutig identifizierbar sind. Jede Glühbirne, jede Schraube, die den Bereich verlässt, muss bis zu einem bestimmten Grenzwert sauber von radioaktiven Partikeln sein. Deshalb durchlaufen sie eine Maschine, die das Material "freimisst". Gibt sie die Boxen anstandslos frei, gilt der Inhalt als normaler Schrott.
Chronologie: Der Streit um Mülheim-Kärlich reicht bis in die 70er Jahre zurück
22. Dezember 1972 - Die RWE AG stellt den Antrag auf Errichtung und Betrieb des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich.
9. Januar 1975 - Die Erste Teilgenehmigung für die Anlage wird erteilt. Im selben Jahr beginnt der Bau.
4. Mai