Schwerin (dpa) - Die Tourismusbranche auf der Ostsee-Halbinsel Fischland-Darss-Zingst befürchtet durch den Bau eines Offshore- Windparks gut zehn Kilometer vor der Küste drastisch sinkende Besucherzahlen. "Fast Zwei Drittel der Gäste äusserten Bedenken gegen das Vorhaben und zeigten sich skeptisch, ob sie wieder kommen würden", sagte Mathias Löttge, Vorsitzender des regionalen Tourismusverbandes, am Dienstag in Schwerin. Er berief sich dabei auf eine Studie der Fachhochschule Stralsund, für die im Sommer 2004 rund 1000 Feriengäste befragt worden waren.
Die Entscheidung über den Bau des Pilot-Projektes steht unmittelbar bevor. Das Raumordnungsverfahren wird den Angaben zufolge noch in dieser Woche abgeschlossen. Die Ergebnisse will Landesplanungsminister Helmut Holter (PDS) am kommenden Dienstag (22.2.) vorstellen. Nachdem der Bau zweier Windparks vor Rügen Ende Dezember vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) abgelehnt wurde, richten sich alle Hoffnungen der Befürworter auf das Projekt vor dem Darss, wo den Informationen zufolge 21
Windräder, das grösste knapp 190 Meter hoch, errichtet werden sollen.
Die Kritiker führen unter anderem an, dass die Anlagen in unmittelbarer Nachbarschaft zu der von jährlich 60 000 Schiffen befahrenen Kadet-Rinne zusätzliche Risiken schaffen. "Jedes künstliche Hindernis in so einem Gebiet ist eine Gefahr für die Schiffssicherheit", sagte Löttge. Zudem seien Auswirkungen der Türme auf den Zug der Kraniche, die alljährlich zu Tausenden in der geschützten Boddenlandschaft rasten, nicht auszuschliessen.
Der Bürgermeister von Prerow, Hans-Joachim Schumann, rief die Planungsbehörden auf, alle Argumente und Fakten vorurteilsfrei zu bewerten. "Es geht nicht um eine grundsätzliche Debatte zur Windkraft-Nutzung. Es geht um Anlagen in einem aus vielerlei Gründen sehr sensiblen Gebiet", sagte der Kommunalpolitiker. Nach Rügen und Usedom sei die Halbinsel-Kette mit jährlich etwa 4,5 Millionen Gästen die wichtigste Tourismusregion des Landes. "Die Menschen kommen zu uns, weil sie hier wie sonst nirgendwo eine intakte Natur finden. Das wird sich mit dem Bau der
Offshore-Anlagen ändern", sagte Schumann. Er rechne damit, dass ein Grossteil der Tourismusbetriebe, die 7000 Menschen Arbeit gäben, die Existenzgrundlage verlieren wird.
Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Volker Schlotmann, wies die Befürchtungen zurück. "Offshore-Windenergie wird keine Feriengäste vom Darss fern halten und Arbeitsplätze im Tourismus vernichten. Im Gegenteil: Die Entwicklung und Produktion der Anlagen bringt Arbeit ins Land", sagte er. Im Offshore-Kompetenzzentrum Rostock hätten sich zentrale Unternehmen der Branche angesiedelt. Dort solle ein komplettes Anbieterkonsortium für Windkraftanlagen entstehen und weitere Zulieferproduktion geschaffen werden.
Die CDU sieht dagegen das "Risikopotenzial" der Offshore-Anlagen bestätigt. "Als Ergebnis der Studie wird eine äusserst negative Beeinflussung des Tourismusgewerbes belegt. Für über zwei Drittel der befragten Urlauber würde nach Errichtung der Anlagen kein weiterer Aufenthalt in der Region Fischland-Darss-Zingst in Frage kommen", sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Udo Timm. Der weite, unverbaute Blick auf das Meer sei für fast alle Urlauber der entscheidende Grund für die Wahl ihres Urlaubsziels. "Dieses Potenzial dürfen wir nicht fahrlässig aufs Spiel setzen."