Roels contra Großmann - Querelen um Machtwechsel lähmen RWE
Stand: 20.08.2007
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Essen (dpa) - Gegensätzlicher könnten zwei Männer kaum sein: Während der scheidende RWE-Chef Harry Roels an der Spitze von Deutschlands zweitgrößtem Energiekonzern stets strikte Zurückhaltung demonstriert, gibt sein designierter Nachfolger Jürgen Großmann in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" bereitwillig Auskunft über seine privaten Sehnsüchte. "Eigentlich träumte ich immer nur vom Segeln und vom Meer", bekennt der im Ruhrgebiet geborene Zwei-Meter-Mann. Welchen Kurs er bei RWE einschlagen will, erwähnt der 55-Jährige mit keinem Wort. Dabei besteht Handlungsbedarf, denn RWE fällt immer weiter hinter den Rivalen E.ON zurück.
Kritikern, die ihm verpasste Chancen vorwarfen, hielt Roels entgegen: "Ich würde alles wieder genauso tun". Die Börse honorierte die Strategie des durch die Sparbemühungen mittlerweile über eine milliardenschwere Kriegskasse verfügenden Unternehmens lange mit steigenden Kursen. Seit Jahresbeginn sackt der Kurs aber immer weiter ab. Experten fehlt eine schlüssige Strategie.
Für frischen Wind soll nun der Stahlmanager Großmann sorgen. Der lässt sich zwar nicht in die Karten schauen - in seinem Umfeld heißt es aber, "größere Akquisitionen sind wieder drin". Im Fokus hat er dabei energiehungrige Länder wie die Türkei oder Russland, wo derzeit Stromanbieter versteigert werden. Die Auslandsexpansion ist notwendig, um Einbußen durch die Regulierung in Deutschland auszugleichen. Der Handlungsdruck ist groß, das Unternehmen stecke aber in einer "Schockstarre", heißt es in den oberen Etagen des RWE- Turms.
Grund ist die lange Übergangszeit von Roels zu Großmann. Der Wechsel wurde zwar vor einem halben Jahr angekündigt, soll aber erst zum 1. Februar 2008 vollzogen werden. Für den bevorstehenden Wechsel an der RWE-Spitze hat sich der Aufsichtsrat für eine eher ungewöhnliche Regelung entschieden: Nach seinem Eintritt bei RWE im November dieses Jahres soll der branchenfremde Großmann zunächst noch drei Monate mit seinem Vorgänger zusammenarbeiten, bevor Roels abtritt.
Während das Unternehmen und der scheidende Konzernchef zumindest offiziell weiter auf die Erfüllung der Vereinbarung pochen, werden hinter den Kulissen zunehmend Zweifel an der Tauglichkeit des Plans geäußert. Der gestandene Manager Großmann werde sich nicht wie ein Lehrling einarbeiten lassen, heißt es dort etwa. Gleichzeitig sickern aus Branchenkreisen immer wieder neue und zum Teil widersprüchliche Details über die angeblichen strategischen Pläne des künftigen Chefs durch.
Während etwa ein Beobachter schreibt, im Konzept des neuen Chefs werde es "eng" für RWE-Vertriebschef Berthold Bonekamp, wird dem Manager von anderer Seite bescheinigt, die "besten Karten" zu haben. Gleichzeitig werden dem künftigen Chef in Warteposition umfangreiche strategische Überlegungen bescheinigt. Dabei soll es um eine Umstrukturierung des Konzerns bis hin zur Auflösung der Dortmunder RWE Energy ebenso gehen. Eine offizielle Stellungnahme dazu gibt es nicht.
Mit einem vorzeitigen Rückzug aus dem Amt könnte Roels nach Ansicht vieler Beobachter die Probleme lösen. Bei verschiedenen Treffen verhandelten die Manager unter Beisein von Aufsichtsratschef Thomas Fischer über die Modalität einer Vertragsauflösung. Ein Ergebnis wurde bislang nicht erzielt. "Die Gespräche werden daher weitergeführt", heißt es im Konzernumfeld. Am Ende entscheide die Höhe der Ablösesumme, ob und wann Roels geht.