Theoretisch könnte der weltweite Energiebedarf mit Hilfe der Erdwärme für Millionen Jahre gedeckt werden. Bisher wird in Deutschland zwar die Erdwärme vor allem zum Heizen genutzt. Doch nach Berichten von SPIEGEL ONLINE sollen in Kürze mehrere neue Geothermie-Kraftwerke auch Strom liefern.
Wer sich auf der Erdoberfläche bewegt, macht sich keinen Begriff von den Temperaturen, die im Erdinneren herrschen. Je tiefer man steigt, desto wärmer wird es, pro 100 Meter Tiefe drei Grad Celsius. Bisher wird die Erdwärme zumeist mit Wärmesonden vor allem zum Heizen von Wohnungen genutzt. Doch nun entstehen in Deutschland die ersten leistungsfähigen Geothermie-Kraftwerke, die aus Thermalwasser gleichzeitig elektrische und thermische Energie gewinnen.
Noch im September soll eine Anlage in Unterhaching den ersten ökologisch erzeugten
Strom aus Erdwärme liefern. Die maximale Leistung liegt bei 38 Megawatt, davon können bis zu 3,4 Megawatt zur Stromproduktion genutzt werden - der Rest für Fernwärme. Aus 3577 Metern Tiefe gelangt das Thermalwasser nach oben. Rund 50 Millionen Euro haben die Betreiber investiert.
Zwei Mal hatten Ingenieure in Unterhaching gebohrt, 2004 und 2007, beide Male mit Erfolg. Mit bis zu 150 Litern pro Sekunde sprudelte bis zu 126 Grad heißes Wasser aus dem Erdinnern. Damit stand fest, dass sich eine Geothermie-Anlage rechnen würde. Der Gemeinderat stimmte dem Bau zu.
Seit Mai gelangt Wärme über das neue Fernwärmenetz in die Wohnungen von Unterhaching. Verrußte Öl-Heizkessel im Keller oder Schmutzpartikel, die beim Verbrennen von Öl, Kohle oder Holz entstehen, gehören der Vergangenheit an. Im Heizungskeller steht nun eine Wärme-Übergabestation.
Neben Wärme soll für die Häuser auch Strom gewonnen werden. Mit Wasserdampf können die Turbinen eines Geothermie-Kraftwerks freilich nicht betrieben werden, dazu ist die Temperatur des Thermalwassers zu niedrig. Statt des Wassers kommen Flüssigkeiten zum Einsatz, die bereits bei niedrigeren Temperaturen sieden - in Unterhaching ist das Ammoniak.
Unterhaching besitzt jedoch nicht das erste Geothermie-Kraftwerk Deutschlands. Bereits seit November 2003 produziert eine Anlage in Neustadt/Glewe in Mecklenburg-Vorpommern neben Wärme auch Strom. Das dortige Kraftwerk arbeitet nicht mit Ammoniak, sondern mit organischen Verbindungen, die deutlich unter 100 Grad Celsius zu so genanntem Niedertemperaturdampf sieden. Diesen wandelt eine kleine Turbine mit Generator in maximal ein Megawatt elektrische Energie um. Die Wärmeversorgung hat in Glewe allerdings Vorrang. Deshalb fährt das Kraftwerk nur im Sommer mit voller Leistung und steht bei Frostgraden im Winter still. Strom ist eher ein Nebenprodukt, das die Rentabilität erhöht.
Wenn die Anlage in Unterhaching mit voller Leistung läuft, werden 30.000 Tonnen CO2-Emissionen jährlich eingespart, errechnete Benjamin Richter von der Unternehmensberatung Rödl & Partner. Wenn das Wasser aus dem Kraftwerk wieder herauskommt, ist es immerhin noch 70 Grad heiß und kann nochmals genutzt werden, etwa zum Heizen einer Gärtnerei oder eines Schwimmbads, bevor es über eine zweite Bohrung in 3,5 Kilometern Entfernung in die Erdschicht zurückkehrt, aus der es ursprünglich stammt.
Geothermische Kraftwerke gelten als vielversprechende Alternative zu konventionellen Kraftwerken. Anders als
Windkraft und Sonnenenergie steht die Erdwärme das ganze Jahr über ohne Schwankungen zur Verfügung. Überdies stellt sie eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle dar.
In Deutschland sind gegenwärtig mehr als ein Dutzend Geothermie-Projekte in Planung oder Bau. Im badischen Bruchsal baut Siemens ein zweites Kraftwerk. Unterhachings Nachbargemeinden Pullach, Taufkirchen und Oberhaching planen ebenfalls Probebohrungen nach Thermalwasser. Falls die Fördermengen für ein Kraftwerk nicht ausreichen, kann immer noch ein Bad betrieben werden. In der Schweiz, wo man in den neunziger Jahren intensiv nach Thermalwasser bohrte, entstand so ein halbes Dutzend neuer Thermalbäder.