Gabriel hat Koalitionsvorgaben im Reisegepäck für Montréal
Stand: 18.11.2005
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Berlin (dpa) - Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) stellte vor dem Bundeskanzleramt kürzlich einen aufblasbaren 8 Meter hohen Dinosaurier auf, zusammengesetzt aus Symbolen der fossilen Energien wie Ölplattform, Tankwagen und Flugzeugen. Wenig später kippte Greenpeace mehrere Tonnen Kohle vor den Londoner Amtssitz des britischen Premierministers Tony Blair in der Downing Street 10. Beides Anklagen wegen "unterlassenem Klimaschutz". Aufdringlich und spektakulär, deswegen aber vielleicht einprägsamer als langsam aus dem Bewusstsein verdrängte Wirbelstürme mit ihren katastrophalen Folgen für viele Menschen.
Mit dieser und anderen umweltrelevanten Absprachen im Gepäck wird sich nun Ende des Monats Sigmar Gabriel nur wenige Tage nach seiner für kommenden Dienstag geplanten Ernennung zum Bundesumweltminister nach Montréal zur Klimakonferenz aufmachen. Dabei kann er zudem vorweisen, dass er eine Aufweichung des Atomausstiegs bis 2021 wesentlich mit verhindern konnte. Zunächst geht es in Kanada um eine Prüfung der Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele nach dem Kyoto- Protokoll bis 2012. Im EU-Rahmen hat sich Deutschland bis dahin verpflichtet, den Ausstoß an Kohlendioxid im Vergleich zu 1990 um 21 Prozent zu senken.
Dies soll mit mehr Energiesparen, dem Ausbau erneuerbarer Energien und wirksameren CO2-Emissionshandel erreicht werden. Für die Phase bis 2020 wird der EU im Koalitionsvertrag vorgeschlagen, die Treibhausgase um 30 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. "Unter dieser Voraussetzung wird Deutschland eine darüber hinaus gehende Reduktion seiner Emissionen anstreben", heißt es in dem Text. Die von Rot-Grün für diesen Fall noch angekündigte Minderung um 40 Prozent findet sich nicht darin. Gabriel soll sich aber "dafür einsetzen, dass bis 2009 ein internationales Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012 geschaffen wird, das auf dem Kyoto-Protokoll aufbaut".
Ebenso findet sich keine Zielmarke für das Jahr 2050, in dem der Treibhausgasausstoß nach Aussage des scheidenden Umweltministers Jürgen Trittin (Grüne) in den Industrieländern um 80 Prozent reduziert sein soll. Hinter dieser Zahl steht die Sorge, dass sich bei einer weiteren Erderwärmung der Klimawandel dramatisch zuspitzen könnte. Um die Abhängigkeit vom Öl zu senken, müssten die erneuerbaren Energien bis 2050 in den Industriestaaten so ausgebaut werden, dass sie 50 Prozent der gesamten Energieversorgung leisten.
Die große Koalition schaut dagegen nicht ganz so weit. Sie propagiert für 2010 einen Anteil von 4,2 (beim Strom allein: 12,5) Prozent und für 2020 von 10 (20) Prozent mit steigender Tendenz. Auch der Wärmebereich soll stärker erschlossen werden, der Verkehrsbereich mit neuem Biosprit und Antriebstechniken zum Klimaschutz beitragen. Erhebliche CO2-Reduktionen erhofft sich die Regierung durch die Modernisierung alter Kohlekraftwerke. Der Emissionshandel mit CO2- Zertifikaten schließlich soll in der nächsten Zuteilungsperiode ab 2008 effektiver werden und nur noch größere Industrieanlagen sowie den Flugverkehr einbeziehen.
Trittin überraschte kürzlich mit dem Vorschlag, energieintensive Firmen von der Ökosteuer zu befreien, da ihre Anlagen voll dem Emissionshandel unterliegen. Dafür könne die übrige Industrie bei der Ökosteuer stärker belastet werden. Widerstand wäre allerdings programmiert.