Digitaler Nachlass: Was ist das und wie regle ich ihn?
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Was passiert mit Online-Accounts und Daten, wenn jemand stirbt? Mit dem digitalen Nachlass lässt sich diese Frage schon bei Lebzeiten regeln.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zugangsdaten und Daten eines Online-Accounts gehen auf die Erben über, wenn der Inhaber des Kontos verstirbt.
- Wer den Umgang mit seinen Daten nach dem Ableben nicht dem Zufall überlassen will, sollte eine Vertrauensperson bevollmächtigen und klare Anweisungen geben, was zu archivieren und was zu löschen ist.
- Die für die Vertrauensperson bestimmte Liste mit Zugangsdaten und Passwörtern sollte man nicht digital speichern, sondern ausdrucken und an einem sicheren Ort verwahren.
Was ist ein digitaler Nachlass?
Wenn jemand stirbt, bleiben nicht nur seine Besitztümer und Vermögenswerte zurück. Neben dem materiellen und finanziellen Erbe gibt es häufig auch ein digitales Erbe – nämlich in Form von E-Mail-Konten, Accounts in sozialen Netzwerken oder Daten auf PCs, Tablets, Smartphones und bei Cloud-Anbietern. Dazu können auch finanzielle Verpflichtungen kommen, etwa aus Online-Abos bei Netflix, Spotify und Co.
Rechtliche Klarheit durch das Facebook-Urteil
Lange Zeit war juristisch unklar, was beim Ableben eines Menschen mit dessen Online-Daten geschehen soll. Strittig war insbesondere die Frage, ob der Online-Anbieter die Zugangsdaten und Inhalte an die Erben herausgeben muss – immerhin handelt es sich oft um sehr persönliche Daten, Bilder und Dokumente.
Im so genannten „Facebook-Urteil“ hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2018 abzuwägen, ob grundsätzlich beim digitalen Nachlass das Fernmeldegeheimnis oder das Erbrecht Vorrang hat. Konkret ging es um die Frage, ob Facebook einer Mutter Zugang zum Account ihrer verstorbenen Tochter gewähren müsse. Die BGH-Richter legten klar: Ein Online-Konto geht wie andere Besitztümer oder Verträge im Todesfall auf die Erben über, und somit müssen Online-Dienstleister den Erbberechtigten Zugang zu den Konten von Verstorbenen gewähren (BGH-Urteil vom 12.07.2018, Aktenzeichen BGH III ZR 183/17).
Digitales Erbe: Rechtslage und Vertragsübernahme im Todesfall
Wer einen Online-Account besitzt, hat mit dem digitalen Dienstleister einen Vertrag abgeschlossen. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um ein kostenloses oder um ein kostenpflichtiges Konto bzw. Abo handelt.
Beim Ableben eines Vertragspartners gilt, wie bei anderen Verträgen auch, der Grundsatz, dass zunächst dessen Erben in den Vertrag eintreten und diesen weiterführen. Eine automatische Kündigung des Vertrags ist im Regelfall nicht vorgesehen. Wenn die Erben laufende Online-Verträge des Verstorbenen auflösen wollen, müssen sie daher aktiv werden und eine Kündigung aussprechen. Handelt es sich um Verträge mit längeren Kündigungsfristen, sollten sich die Erben erkundigen, ob eine vorzeitige Sonderkündigung im Todesfall möglich ist.
Wie regle ich meinen digitalen Nachlass?
Sinnvoll ist es, schon zu Lebzeiten festzulegen, was mit dem digitalen Erbe passieren soll. Damit lassen sich nicht nur Unstimmigkeiten im Erbenkreis vermeiden, etwa wenn es um die Löschung oder den Erhalt persönlicher Dokumente geht. Mit einer klaren Regelung ist überdies sichergestellt, dass die Erben den digitalen Nachlass im Sinne des Verstorbenen behandeln.
Was soll mit Online-Daten und -Dokumenten geschehen?
Wichtig ist es festzulegen, wie die Erben mit Online-Accounts und den darauf befindlichen Daten umgehen sollen. Dabei gibt es unterschiedliche Optionen, wie etwa:
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Gedenkmodus in sozialen Netzwerken: Umstellung von Accounts mit Erhalt der Daten, um eine Erinnerungsseite zu schaffen.
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Archivierung vor Löschung: Sicherung wichtiger Daten, bevor Accounts gelöscht werden.
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Vollständige Löschung: Entfernung von Accounts und allen zugehörigen Daten, um digitale Spuren zu minimieren.
Testament oder Vollmacht?
Die Anweisungen lassen sich entweder im Testament oder über die Erteilung einer Vollmacht an eine Vertrauensperson festhalten. Beide Dokumente sind nur dann rechtswirksam, wenn sie handschriftlich verfasst sowie datiert und unterschrieben sind.
Das Testament hat den Vorteil, dass der Umgang mit den digitalen Daten zusammen mit den anderen Bestimmungen zum letzten Willen in einem einzigen Dokument festgehalten ist. Allerdings erfordert jede neue Anweisung zum digitalen Erbe die Erstellung eines neuen Testaments.
Eine Vollmacht kann unabhängig vom Testament erteilt werden. Der Verfasser benennt darin eine Vertrauensperson und gibt konkrete Anweisungen zum Umgang mit den digitalen Daten im Todesfall. Besonders wichtig ist hierbei, dass die Vollmacht explizit ihre Gültigkeit „über den Tod hinaus“ festlegt.
Zugangsdaten hinterlegen
Neben den juristischen Fragen sollten Verbraucher die ganz konkreten technischen Belange im Blick behalten. Der Aufwand für die Erben oder Bevollmächtigten lässt sich wesentlich reduzieren, wenn für sie eine Liste mit Zugangsdaten an einem sicheren Ort – etwa zu Hause im Tresor oder im Bankschließfach – hinterlegt wird.
Zugangsdaten niemals digital speichern
Speichern Sie auf keinen Fall Nutzernamen und Passwörter auf Ihrem Computer oder Smartphone. Im Fall eines Hackerangriffs könnten sonst kriminelle Dritte Zugriff auf Ihre Online-Konten erhalten.
Digitale Vorsorge bei Google und Facebook
Einige große Online-Dienstleister ermöglichen es Nutzern, Vorkehrungen für ihren digitalen Nachlass direkt in den Kontoeinstellungen zu treffen. Besonders relevant sind hierbei die Optionen von Google und Facebook:
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Google bietet in seinen Profileinstellungen einen Kontoinaktivität-Manager an. Dort lässt sich eine Vertrauensperson hinterlegen, die Zugang zum Konto erhält, wenn über einen bestimmten Zeitraum keine Aktivität erfolgt.
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Facebook versetzt Nutzerkonten in den so genannten Gedenkzustand, wenn das Unternehmen über den Tod eines Nutzers informiert wird. Die dort befindlichen Beiträge bleiben für die ursprünglich definierte Zielgruppe sichtbar. Hat die verstorbene Person bei Facebook einen Nachlasskontakt angelegt, informiert Facebook diesen bei Aktivierung des Gedenkzustandes. Der Nachlasskontakt kann dann entscheiden, ob das Konto erhalten bleiben oder gelöscht werden soll.
Checkliste: Ihren digitalen Nachlass richtig regeln
- Zugangsdaten dokumentieren
Erstellen Sie eine Liste mit Zugangsdaten und Passwörtern Ihrer wichtigsten Online-Accounts. Vermerken Sie für jedes Konto, ob es im Todesfall gelöscht oder archiviert werden soll. - Sichere Aufbewahrung
Drucken Sie die Liste aus und bewahren Sie sie in einem Tresor oder Bankschließfach auf. Speichern Sie die Liste nicht digital auf Ihrem Computer. - Vertrauensperson bestimmen
Wählen Sie eine Person, die im Todesfall Zugang zu Ihren Online-Konten und Daten erhalten soll. Erstellen Sie eine datierte und unterschriebene Vollmacht für diese Person. Stellen Sie sicher, dass die Vollmacht „über den Tod hinaus“ gilt. Definieren Sie auch Handlungsanweisungen für Fälle wie Koma oder Demenz. - Vollmacht sichern
Bewahren Sie eine Kopie der Vollmacht für sich auf. Übergeben Sie das Original an die Vertrauensperson. - Familie informieren
Informieren Sie Ihre Angehörigen über Ihre Regelungen zum digitalen Nachlass.
Erbrechtsschutz: Wie eine Rechtsschutzversicherung Sie absichert
Eine vorausschauende Regelung Ihres digitalen Nachlasses entlastet Ihre Erben und kann Konflikte vermeiden. Dennoch können rechtliche Fragen oder Streitigkeiten auftreten. Eine Rechtsschutzversicherung mit Erbrechtsschutz kann in solchen Fällen unterstützen, indem sie Anwaltsgebühren übernimmt. Premiumtarifen decken sogar Kosten für Mediationen und gerichtliche Auseinandersetzungen ab.