Fahrtest Mercedes-AMG A 35: der am wenigsten Unvernünftige
Stand: 29.06.2020
Bildquelle: ©Mercedes-Benz / Text: SP-X
Ja, ja ist klar: Über solche Autos darf man ja eigentlich heute gar nicht mehr schreiben. Aber bevor Sie sich an einem Shitstorm beteiligen: Unter den Fahrzeugen der AMG-Schmiede darf sich unser Testwagen ja wohl noch am ehesten das Prädikat „vernünftig“ umhängen. Oder sagen wir lieber: am wenigsten unvernünftig.
Einstieg in die AMG-Welt
Die von Mercedes vom Tuner zur sportlichen Hausmarke aufgewertete AMG-Abteilung steht im Kern für die Fans doch noch immer für bollernde Achtzylinder und echte PS-Protzer. Da nimmt sich unser Testwagen, eine A-Klasse, fast schon bescheiden aus. Mit 306 PS aus einem 2,0-Liter-Turbo markiert der auf Basis des schwäbischen Kompakten aufgerüstete Fünftürer ja auch tatsächlich so etwas wie einen Einstieg in die AMG-Welt. Der mit rund 48.000 Euro ohne Berücksichtigung der langen Aufpreisliste ja aber auch schon ein gut gefülltes Konto erfordert – oder eine vertrauensvolle Beziehung zum Kreditberater der Hausbank.
Es geht noch mehr
Klappenauspuff fehlt
Nun wollen wir uns aber zunächst dem Antrieb widmen, denn das sollte ja für die meisten Käufer der wichtigste Kaufgrund sein. Nach dem Drücken des Startknopfs könnten diese zunächst einmal enttäuscht sein: Der Motor geriert sich sehr zurückhaltend, geradezu leise. Zudem gibt es, wir sind geneigt „Gott sei Dank“ zu schreiben, keinen Schalter für die Betätigung eines Klappenauspuffs, was der typische AMG-Fahrer vielleicht nicht so toll finden wird, alle anderen Verkehrsteilnehmer aber wahrscheinlich schon. Wer unbedingt angeben will, der sei auch hier an den A 45 verwiesen, der ein solches Krawall-Knöpfchen an Bord hat. Zudem startet das Fahrzeug immer im Komfort-Modus.
Gute Performance
Mercedes-AMG A 35 liegt gut in den Kurven
Echte Emotionen kommen trotzdem nicht auf, dazu wirkt das Gesamtpaket einen Tick zu synthetisch, fehlt es an Sound und auch etwas an Leistung. In gewissen Momenten, etwa beim harten Beschleunigen auf der Autobahn, ist man fast ein wenig enttäuscht über die Reaktion des Antriebs. Oder sind wir einfach nur sehr verwöhnt? Die große Stärke des schwächsten AMG liegt aber nicht auf der Autobahn, sondern auf kurvigen Strecken. Das Fahrwerk ist wirklich perfekt abgestimmt, die Lenkung direkt und sehr präzise, aus Kurven heraus stimmt auch die Beschleunigung. Sogar bei feuchtem Wetter oder schlechter Straße lässt sich der Schwabe hier dank der 4Matic kaum beirren.
Ein weiterer Vorteil des A 35: Man kann ihn dank der guten Federung auch im Alltag noch kommod bewegen. Der Verzicht auf eine Übermotorisierung verlockt den Fahrer zudem nicht zu ständigen Tempoüberschreitungen. Und: Dieser AMG scheint auch andere Verkehrsteilnehmer, vornehmlich solche mit ähnlichen Modellen süddeutscher Provenienz, nicht zu gefährlichen „Meiner ist Größer“-Spielen herauszufordern, was den Auto-Alltag deutlich entspannter werden lässt. Zumal, wenn man sich im „Comfort“-Modus bewegt und die Finger von Einstellungen wie „Sport“ oder gar „Sport+“ lässt.
Gewohnt teurer Innenausstattung
Von daher wird es – anders als es das Marketing gerne habe möchte und erzählt – wohl kaum eine wirklich junge Zielgruppe sein, die sich einen neuen A 35 leisten kann. Trotzdem ist der Baby-AMG eine insgesamt erfreuliche Erscheinung, verzichtet er doch optisch und akustisch auf zu viel Krawall und macht sich so auch interessant für Fahrer, die meistens zurückhaltend unterwegs sind, und nur sehr selten den motorisierten Sportler raushängen lassen.
Autor: Peter Eck