Kann ich bei Krankheit gekündigt werden?
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Nach wie vor hält sich bei vielen Angestellten der Irrglaube, eine Krankheit schütze automatisch vor einer Kündigung. Doch das stimmt so nicht. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Krankheit sogar selbst zum Kündigungsgrund werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Krankschreibung schützt nicht automatisch vor einer rechtswirksamen Kündigung.
- Eine Kündigung wegen Krankheit ist nur zulässig, wenn bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind.
- Vor einer Kündigung muss in der Regel ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) erfolgen.
- Eine Rechtsschutzversicherung hilft, sich bei ungerechtfertigter Kündigung juristisch zu wehren.
Darf mir während einer Krankheit gekündigt werden?
Der Zeitpunkt einer Kündigung ist, sofern die Fristen und sonstigen Rahmenbedingungen gewahrt werden, jederzeit möglich. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt krankgeschrieben war oder nicht. Kündigungen, gerade wenn sie verhaltensbedingt sind, zeichnen sich in der Regel ab. Eine Abmahnung ist in der Regel die letzte Warnung. Die Überlegung, der Kündigung durch eine Krankschreibung zu entgehen, ist falsch. Die Kündigung kann dem Arbeitnehmer auch zugestellt werden, wenn er zu diesem Zeitpunkt krankgeschrieben ist.
Kündigung während Krankheit: Was sagt das Gesetz?
Laut Paragraf 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Arbeitsverhältnis auch während einer Arbeitsunfähigkeit ordentlich gekündigt werden.
Auch eine fristlose Kündigung während einer Krankheit kann rechtlich wirksam sein, wenn alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Eine Krankschreibung allein stellt somit keinen besonderen Kündigungsschutz dar. Vielmehr kann eine Krankheit sogar ein Grund für eine Kündigung darstellen, etwa bei häufigen oder langfristigen Ausfällen des Mitarbeiters.
Kündigung wegen Krankheit: Was ist erlaubt?
Eine Kündigung aufgrund einer Erkrankung ist rechtlich nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) legt fest, dass eine Kündigung "sozial gerechtfertigt" sein muss.
Damit eine ordentliche Kündigung rechtlich wirksam ist, muss sie entweder aus personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen erfolgen.
Ist ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin über einen längeren Zeitraum krank oder fällt sehr häufig kurzzeitig aus, kann dies ein personenbedingter Kündigungsgrund sein. Denn in solchen Fällen ist es dem Arbeitgeber unter Umständen nicht mehr zuzumuten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Sonderfälle: Probezeit und besonderer Schutz
In der Probezeit gilt das Kündigungsschutzgesetz noch nicht. Eine Kündigung ist hier auch bei Krankheit ohne Angabe von Gründen möglich.
Besonderer Kündigungsschutz besteht unter anderem für:
- Schwangere
- Schwerbehinderte
Ist vor einer krankheitsbedingten Kündigung eine Abmahnung nötig?
Nein, bei einer krankheitsbedingten Kündigung ist keine Abmahnung erforderlich. Denn eine Erkrankung ist kein Fehlverhalten. Anders als bei verhaltensbedingten Kündigungen liegt hier keine Pflichtverletzung vor, sondern ein personenbezogener Umstand.
Der Unterschied: personenbedingte und verhaltensbedingte Kündigung
Bei einer personenbedingten Kündigung liegt kein Fehlverhalten vor. Der Arbeitnehmer kann seine Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben.
Bei einer verhaltensbedingten Kündigung hingegen wirft der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Fehlverhalten vor, das sich vermeiden lässt, etwa unentschuldigtes Fehlen oder wiederholte Verspätungen.
Wann kann es zu einer Kündigung wegen Krankheit kommen?
Bestimmte Krankheitsverläufe können eine Kündigung rechtfertigen, sofern die arbeitsrechtlichen Bedingungen erfüllt sind. Typische Fallgruppen sind:
- Häufige Kurzerkrankungen
Wer immer wieder für kurze Zeiträume ausfällt, kann wegen der hohen Anzahl an Fehltagen gekündigt werden. - Langandauernde Erkrankung
Bei monatelanger, ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit ohne absehbare Rückkehr zum Arbeitsplatz ist eine Kündigung unter Umständen zulässig. - Krankheitsbedingte Leistungsminderung
Ist die Arbeitsleistung dauerhaft eingeschränkt, und eine Umverteilung der Aufgaben ist nicht möglich, kann das Arbeitsverhältnis enden.
Wann ist eine krankheitsbedingte Kündigung rechtlich zulässig?
Damit eine Kündigung wegen Krankschreibung vor Gericht Bestand hat, müssen drei Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sein:
-
Negative Gesundheitsprognose (Negativprognose)
Es ist absehbar, dass die betroffene Person auch künftig langfristig oder wiederholt krankheitsbedingt ausfallen wird. Somit kann sie ihre vertraglichen Pflichten voraussichtlich nicht mehr erfüllen. -
Erhebliche Beeinträchtigung des Betriebs
Die personellen Ausfälle stören den Arbeitsablauf oder die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens spürbar, etwa durch häufige Vertretungsengpässe oder organisatorische Mehrbelastungen. -
Zumutbarkeit nicht mehr gegeben (Interessenabwägung)
Eine rechtliche Gesamtabwägung zeigt, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Bei der Beurteilung werden unter anderem die Dauer der Beschäftigung, bisherige Fehlzeiten und die Aussichten auf Besserung berücksichtigt.
Kündigungsschutzklage: Schnell reagieren lohnt sich
Sind nicht alle Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung erfüllt, können Sie sich dagegen wehren. Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht eingereicht werden.
Mit einer Rechtsschutzversicherung für Arbeitsrecht sichern Sie sich frühzeitig anwaltliche Unterstützung und vermeiden hohe Kosten.
Wann liegt eine Negativprognose vor?
Die Einschätzung orientiert sich unter anderem an der Dauer der Erkrankung.
- Bei häufig auftretenden kurzfristigen Erkrankungen gilt sie als begründet, wenn der Arbeitnehmer in den letzten drei Jahren vor Kündigung durchschnittlich mindestens 60 Arbeitstage pro Jahr krankgeschrieben war.
- Bei einer Langzeiterkrankung ist eine Frist von 18 Monaten maßgeblich. Eine Kündigung wegen Krankheit ist gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer 18 Monate durchgehend krankgeschrieben war und keine Aussicht auf Besserung besteht.
Neben der Dauer ist wichtig, ob künftig keine vollständige Genesung zu erwarten ist. Wer nachweisen kann, dass er trotz langer Krankheit wieder voll arbeitsfähig sein wird, kann eine Kündigung unter Umständen erfolgreich anfechten.
Wer muss den Nachweis vor Gericht erbringen?
In einem Kündigungsschutzprozess ist der Arbeitnehmer allerdings verpflichtet, dem Arbeitsgericht mitzuteilen, woran er erkrankt war und welche Maßnahmen der Arzt zur Heilung veranlasst hat.
Das Gericht prüft dann, ob realistische Chancen auf Rückkehr bestehen. Ergibt sich daraus eine positive Prognose, kann die Kündigung unwirksam sein.
Ein Beispiel aus der Rechtsprechung
Das Landesarbeitsgericht Mainz entschied in zweiter Instanz, dass häufige Kurzzeiterkrankungen eine Kündigung rechtfertigen können (Aktenzeichen 5 SLa 21/24). Ein Kläger mit 166 Fehltagen in drei Jahren konnte die negative Gesundheitsprognose nicht widerlegen. Die Kündigung war wirksam.
Betriebliches Eingliederungsmanagement: Pflicht vor einer Kündigung
War ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank, ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten, um eine Weiterbeschäftigung zu prüfen (Paragraf 167 Absatz 2 Sozialgesetzbuch IX).
Ziele des BEM:
- Arbeitsfähigkeit erhalten trotz gesundheitlicher Einschränkungen
- Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglichen durch Präventions- und Reha-Maßnahmen
- Kündigung möglichst vermeiden
Eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit darf erst erfolgen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen im Rahmen des BEM durchgeführt wurden, jedoch ohne Erfolg blieben.
Außerdem muss der Arbeitgeber nachweisen, dass es keine realistische Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung mehr gibt.
Verstößt eine Kündigung wegen Krankheit gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz?
Auch wenn eine Kündigung wegen Krankschreibung grundsätzlich zulässig erscheint – etwa bei negativer Gesundheitsprognose –, kann sie im Einzelfall gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder sogar gegen Europarecht verstoßen.
Wann wird eine Krankheit zur Behinderung?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2013 entschieden: Eine Krankheit, die einen Menschen langfristig davon abhält, einer Berufstätigkeit nachzugehen, ist als Behinderung einzustufen. Dies gilt auch, wenn die Erkrankung langfristig geheilt werden kann (EuGH Urteile C 335/11 und C 337/11).
Es handelt sich in diesem Fall um eine Behinderung im Sinne des Europarechts. Damit greift auch der Schutz vor Diskriminierung gemäß AGG.
Was bedeutet das für Arbeitgeber?
Wird die Krankheit als Behinderung im Sinne des Gesetzes eingestuft, ist eine Kündigung nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass es keine zumutbare Möglichkeit gibt, die Person weiterzubeschäftigen, etwa durch Arbeitsplatzanpassungen.
Andernfalls liegt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor und die Kündigung kann unwirksam sein.
Wichtig: Nicht jede Langzeiterkrankung ist automatisch eine Behinderung. Der Einzelfall zählt und hierbei unter anderem Dauer, Schwere und Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit.
Welchen Schutz bietet ein Arbeitsrechtsschutz bei Kündigung wegen Krankheit?
Eine Kündigung wegen Krankheit kann langwierig sein, vor allem, wenn Diskriminierung vermutet wird und der Fall durch mehrere Instanzen geht. Ohne rechtliche Unterstützung ist es schwer, sich zu wehren – und natürlich auch teuer.
Mit einer Rechtsschutzversicherung sichern Sie sich gegen die entstehenden Kosten ab. Je nach Vertrag übernimmt sie:
- die Erstberatung durch eine Anwältin oder einen Anwalt
- Anwaltsgebühren und Gerichtskosten
- Kosten für Gutachten
Tipp: Prüfen Sie frühzeitig, ob Ihre Police arbeitsrechtliche Streitfälle abdeckt. Viele Versicherer bieten außerdem eine kostenlose Ersteinschätzung durch Partneranwälte an.
Rechtzeitig umfassend absichern
Arbeitsrechtsschutz ist keine Standardleistung in einer einfachen Rechtsschutzversicherung. Es ist ein separater Baustein, den Sie in Kombination mit einem Privatrechtsschutz abschließen können. In vielen Fällen gilt zudem eine Wartezeit von drei Monaten. Erst danach greift der Versicherungsschutz.