Kann ich meine Versicherung bei Falschberatung kündigen?
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Wenn Verbraucher in Finanz- oder Versicherungsangelegenheiten falsch beraten werden, entsteht ihnen dadurch häufig ein finanzieller Schaden. Bei Nachweis einer Falschberatung können sie im Rahmen der Beraterhaftung Konsequenzen wie Kündigung, Rückabwicklung oder Schadensersatz fordern.
Das Wichtigste in Kürze
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Eine Falschberatung liegt vor, wenn Vermittler ihre gesetzlichen Beratungs- und Dokumentationspflichten verletzen, z. B. durch falsche Informationen oder fehlende Risikoaufklärung.
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Versicherungsnehmer haben verschiedene Rechte: Widerruf, Rücktritt, Schadensersatz oder Rückabwicklung des Vertrags.
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Wichtig ist die Beweissicherung: Beratungsprotokolle, Schriftwechsel oder Zeugen können entscheidend sein.
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Besondere Regeln gelten bei Online-Abschlüssen.
Was versteht man unter Falschberatung bei der Versicherung?
Von Falschberatung spricht man, wenn ein Versicherungsvermittler seine Pflicht zur Beratung und Aufklärung nicht erfüllt und der Kunde dadurch einen ungeeigneten oder nachteiligen Vertrag abschließt. Der Vermittler muss die Funktionsweise des Produkts verständlich erklären, auf Kosten, Risiken und wichtige Vertragsklauseln eingehen und den Bedarf des Kunden berücksichtigen. Geschieht das nicht, liegt eine Pflichtverletzung vor. Vermittler sind allerdings nicht verpflichtet, von sich aus auf günstigere Angebote anderer Anbieter hinzuweisen.
Damit ein Kunde Ansprüche wegen falscher Beratung geltend machen kann, muss Kausalität bestehen, also ein klarer Zusammenhang zwischen dem Beratungsfehler und der Entscheidung für den Vertrag. Nur wenn der Vertrag ohne die fehlerhafte Beratung gar nicht zustande gekommen wäre, kann der Kunde Schadensersatz verlangen.
Für die Schadensberechnung wird verglichen, wie die finanzielle Situation des Kunden aussähe, wenn er den richtigen Rat bekommen hätte. Typische Nachteile sind unnötig gezahlte Beiträge oder entgangene Erträge.
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Welche Folgen hat eine Falschberatung für den Versicherungsnehmer?
Eine fehlerhafte Beratung führt häufig dazu, dass Verbraucher finanzielle Nachteile erleiden. Besonders betroffen sind langfristige Produkte wie kapitalbildende Lebensversicherungen und Rentenversicherungen. Oft werden auch unnötige Policen abgeschlossen, etwa doppelte Absicherungen oder teure Zusatzbausteine ohne echten Mehrwert. Die finanziellen Folgen reichen von unnötig gezahlten Beiträgen über verpasste Renditechancen bis hin zu echten Lücken in der Absicherung.
Was sind meine Rechte als Versicherungsnehmer?
Wer beim Abschluss einer Versicherung falsch oder unvollständig beraten wurde, hat verschiedene rechtliche Möglichkeiten. Die wichtigsten Rechte sind:
Widerrufsrecht (§ 8 VVG, § 355 BGB)
Nach Abschluss einer Versicherung können Kunden den Vertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Bei Lebens- und privaten Rentenversicherungen beträgt die Frist sogar 30 Tage. Ein rechtzeitiger Widerruf löscht den Vertrag rückwirkend, als hätte er nie bestanden. Bereits gezahlte Beiträge müssen erstattet werden.
Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB)
Wenn der Versicherer oder sein Vertreter bewusst falsche Angaben gemacht oder wichtige Informationen absichtlich verschwiegen hat, ist eine Anfechtung möglich. Der Vertrag wird dann rückwirkend aufgehoben, und gezahlte Prämien müssen zurückgezahlt werden. Die Anfechtung muss unverzüglich nach Entdeckung der Täuschung erklärt werden, spätestens innerhalb eines Jahres. Ein Beispiel ist, wenn ein Berater wissentlich falsche Aussagen zur Wertentwicklung einer Lebensversicherung gemacht hat.
Schadensersatz und Rückabwicklung (§ 280 BGB)
Unabhängig von Widerruf oder Täuschung können Schadensersatzansprüche bestehen, wenn der Berater seine Pflichten verletzt hat. Ziel ist es, so gestellt zu werden, als hätte der Vertrag nie existiert. In der Praxis bedeutet das, dass der Vertrag beendet wird und alle gezahlten Beiträge zurückerstattet werden, gegebenenfalls abzüglich bereits genutzter Leistungen. Der Versicherer muss außerdem Verluste ausgleichen. Schon einfache Fahrlässigkeit des Beraters reicht aus, damit Ansprüche entstehen. Häufig wird Schadensersatz zusammen mit einer Kündigung geltend gemacht, um aus einem ungewollten Vertrag herauszukommen und finanzielle Nachteile zu vermeiden.
Außerordentliche Kündigung
In bestimmten Fällen können Versicherungsnehmer außerordentlich kündigen. Der Vertrag endet dann ab dem Zeitpunkt der Kündigung. Eine solche Möglichkeit besteht etwa, wenn der Versicherer vor Vertragsabschluss vorgeschriebene Informationen nicht bereitgestellt hat. Das Versicherungsvertragsgesetz gewährt Kunden in solchen Fällen ein Sonderkündigungsrecht. Auch nach einer Beschwerde über Beratungsfehler kann der Versicherer einer vorzeitigen Auflösung zustimmen. Wichtig ist: Eine Kündigung allein führt nicht automatisch dazu, dass bereits gezahlte Beiträge zurückerstattet werden. Dafür braucht es entweder Kulanz des Versicherers oder einen Anspruch auf Schadensersatz beziehungsweise Rückabwicklung.
Besondere Regeln bei Online-Abschluss
Wer eine Versicherung online oder ohne persönliches Gespräch abschließt, hat keinen Anspruch auf Beratung. Eine klassische Falschberatung kann in diesem Fall nicht entstehen. Ansprüche gibt es nur, wenn die bereitgestellten Informationen fehlerhaft oder unvollständig sind.
Wie lässt sich eine Falschberatung nachweisen?
Die Beweislast liegt in der Regel beim Versicherungsnehmer. Das bedeutet, Sie müssen nachweisen können, dass die Beratung fehlerhaft war und Sie den Vertrag bei korrekter Information nicht abgeschlossen hätten.
Hilfreich sind vor allem folgende Belege:
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Beratungsprotokoll: Das Protokoll des Gesprächs ist ein zentrales Dokument. Es zeigt, welche Themen besprochen wurden. Weichen Inhalte von Ihrer Erinnerung ab oder fehlen wichtige Hinweise, können Sie das benennen.
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Unterlagen und Schriftverkehr: E-Mails, Briefe, Produktinformationen oder Angebotsunterlagen dokumentieren, welche Informationen der Berater gegeben oder verschwiegen hat.
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Zeugenaussagen: Waren bei dem Gespräch andere Personen anwesend, können sie Ihre Darstellung bestätigen.
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Gutachten: Bei komplexen Produkten kann ein unabhängiger Sachverständiger prüfen, ob die Empfehlung zum Kundenprofil passte.
Unterstützung erhalten Betroffene auch durch Verbraucherzentralen oder den Versicherungsombudsmann, an den man sich kostenlos wenden kann. Geht es um größere Schadenssummen, ist es sinnvoll, frühzeitig einen Fachanwalt für Versicherungsrecht einzuschalten.
Vermutung einer Falschberatung: So gehen Sie jetzt vor
Wenn Sie vermuten, dass Sie beim Abschluss einer Versicherung falsch beraten wurden, ist ein strukturiertes Vorgehen wichtig. Diese Schritte helfen:
- Gespräch festhalten: Notieren Sie schriftlich, was Sie noch über das Beratungsgespräch wissen. Wichtig sind Zeitpunkt, Name des Vermittlers, gemachte Versprechen sowie Ihre Fragen und die Antworten darauf.
- Unterlagen prüfen: Gehen Sie Vertragsdokumente, Produktinformationen, Beratungsprotokoll und Schriftverkehr sorgfältig durch. Achten Sie auf Unterschiede zwischen mündlichen Aussagen und schriftlichen Unterlagen.
- Dokumente sichern: Sammeln Sie alle relevanten Papiere und speichern Sie E-Mails separat ab. So stellen Sie sicher, dass nichts verloren geht.
- Vermittler oder Versicherung kontaktieren: Wenden Sie sich an Ihren Ansprechpartner und schildern Sie die offenen Punkte. Oft lassen sich Missverständnisse auf diesem Weg schnell klären. Bitten Sie um eine Stellungnahme zu konkreten Fragen.
- Beratungsprotokoll anfordern: Falls Ihnen kein Protokoll vorliegt, fordern Sie es ausdrücklich an. Darauf haben Sie einen gesetzlichen Anspruch.
- Schriftliche Beschwerde einreichen: Bleiben Unstimmigkeiten bestehen, richten Sie eine offizielle Beschwerde an den Versicherer. Schildern Sie den Vorgang, begründen Sie Ihre Kritik und formulieren Sie klare Forderungen, zum Beispiel die Rückabwicklung des Vertrags oder Schadensersatz.
Welche Verjährungsfristen gelten bei Falschberatung?
Ansprüche wegen Falschberatung können nicht unbegrenzt eingefordert werden. Es gilt in der Regel eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Beratungsfehler entdeckt wurde oder hätte entdeckt werden können.
Ein Beispiel: Wird die Falschberatung im Jahr 2025 bemerkt, läuft die Frist bis zum 31. Dezember 2028.
Spätestens zehn Jahre nach Vertragsabschluss oder nach Entstehung des Anspruchs sind Forderungen in den meisten Fällen ausgeschlossen, selbst wenn der Fehler erst später auffällt. Nur bei vorsätzlichem Handeln kann es Ausnahmen geben. Deshalb ist es wichtig, bei einem Verdacht auf Falschberatung schnell aktiv zu werden. Wer zu lange wartet, riskiert, dass mögliche Ansprüche wegen Verjährung nicht mehr durchgesetzt werden können.
Die Versicherung lehnt meine Beschwerde ab – was tun?
Reagiert der Versicherer nicht oder weist er Ihre Beschwerde zurück, können Sie sich an den Versicherungsombudsmann wenden. Die Schlichtungsstelle prüft den Fall neutral und kostenlos.
Bleibt auch das ohne Ergebnis, ist der Gang vor Gericht die letzte Möglichkeit. Ein Anwalt kann die Erfolgsaussichten einschätzen. Wichtig ist, alle Belege und Unterlagen geordnet vorzulegen.
Tipps: So vermeiden Sie eine Falschberatung
Auch wenn man sich nicht gegen alles absichern kann, gibt es einfache Wege, das Risiko zu verringern:
- Beratungsprotokoll prüfen: Lassen Sie sich das Protokoll aushändigen und unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht verstanden haben.
- Fragen stellen: Bitten Sie um klare Erklärungen und Beispiele, wenn etwas unverständlich ist.
- Zeit nehmen: Unterschreiben Sie nicht sofort im Termin. Nehmen Sie die Unterlagen mit und prüfen Sie sie in Ruhe.
- Zweitmeinung einholen: Gerade bei komplexen Verträgen lohnt es sich, eine Verbraucherzentrale oder einen unabhängigen Experten einzubeziehen.
- Vorab informieren: Wer sich selbst ein Grundwissen verschafft, erkennt schneller, ob ein Vertrag passt.
Beispiele: Typische Beratungsfehler in der Praxis
- Unnötige Zusatzpolicen: Ein Kunde hat bereits eine umfassende Hausratversicherung. Trotzdem wird ihm zusätzlich eine Glasversicherung verkauft, obwohl Glasschäden im bestehenden Vertrag bereits abgesichert sind.
- Verschwiegene Ausschlüsse: Bei einer Haftpflichtversicherung wird nicht erwähnt, dass bestimmte Schäden ausgeschlossen sind, etwa bei beruflichen Tätigkeiten im Homeoffice.
- Fehlende Risikoaufklärung: Eine fondsgebundene Rentenversicherung wird vermittelt, ohne auf mögliche Verluste in schwachen Börsenphasen hinzuweisen.
- Unpassende Vertragsart: Einer jungen Sparerin mit kurzfristigem Anlageziel wird eine Kapitallebensversicherung mit langer Laufzeit verkauft. Dieses Produkt passt nicht zu ihrem Bedarf.
- Unklare Kostenangaben: Hohe Abschluss- oder Verwaltungskosten werden verschwiegen oder nur versteckt in den Unterlagen erwähnt, sodass Kunden die reale Belastung nicht erkennen.
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