Erbschein beantragen: Das müssen Sie wissen
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Ein Erbschein dient als offizieller Nachweis der Erbenstellung. Ob er beantragt werden muss, hängt von der Art des Nachlasses und der Existenz eines Testaments ab. Nicht in allen Fällen ist ein Erbschein zwingend erforderlich. Die Beantragung erfolgt beim zuständigen Nachlassgericht und gilt gleichzeitig als Annahme des Erbes – einschließlich möglicher Verbindlichkeiten. Dieser Ratgeber erklärt, wann ein Erbschein nötig ist, wie Sie ihn beantragen und welche Konsequenzen damit verbunden sind.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Erbschein ist nicht immer notwendig. Seine Erforderlichkeit hängt von der spezifischen Erbsituation ab.
- Sind mehrere Personen erbberechtigt, können diese einzeln oder gemeinsam einen Erbschein beantragen.
- Banken müssen alternative Nachweise der Erbberechtigung akzeptieren und dürfen nicht pauschal einen Erbschein verlangen.
- Die Beantragung eines Erbscheins gilt rechtlich als Annahme des Erbes, inklusive möglicher Schulden.
Wann braucht man einen Erbschein?
Ein Erbschein ist erforderlich, wenn sich Erbinnen oder Erben gegenüber Dritten – beispielsweise Banken, Versicherungen oder Behörden – als rechtmäßige Nachlassberechtigte ausweisen müssen. Er ist nicht die Voraussetzung, um das Erbe zu erhalten, sondern dient als offizieller Nachweis der Erbenstellung.
Der Erbschein wird insbesondere dann benötigt, wenn es Unklarheiten darüber gibt, wer rechtmäßiger Erbe ist oder der Nachweis der Erbenstellung nicht anderweitig erbracht werden kann, beispielsweise durch ein Testament oder die gesetzliche Erbfolge.
Im Fall einer Immobilienübertragung ist die Vorlage eines Erbscheins beim Grundbuchamt zwingend erforderlich, selbst wenn ein Testament vorliegt oder die gesetzliche Erbfolge klar geregelt ist.
Banken und Sparkassen neigen dazu, grundsätzlich einen Erbschein zu verlangen, auch wenn eine Kontovollmacht über den Tod hinaus vorliegt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Zusammenhang zwei wichtige Urteile gesprochen.
- Zum einen dürfen Sparkassen in ihren AGB nicht pauschal einen Erbschein verlangen, wenn Erben ihre Ansprüche auf andere rechtssichere Weise nachweisen können (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013, Az. XI ZR 401/12 und BGH, Urteil vom 5. April 2016, Az. XI ZR 440/15).
- Zum anderen wurde eine Bank zur Erstattung der Kosten in Höhe von 1.770 Euro für einen unnötig geforderten Erbschein verurteilt (BGH, Urteil vom 5. April 2016 Az. XI ZR 440/15).
Wie und wo beantrage ich einen Erbschein?
Die Beantragung eines Erbscheins erfolgt beim Nachlassgericht, das für den letzten Wohnsitz des Verstorbenen zuständig ist. Der Antrag kann schriftlich oder mündlich vor Ort gestellt werden. Bei mündlicher Antragstellung wird ein Protokoll angefertigt.
Wichtig: Nur Erben können einen Erbschein beantragen. Pflichtteilsberechtigte oder Vermächtnisnehmer haben dieses Recht nicht.
Der Erbschein selbst muss genau spezifizieren, wer erbberechtigt ist. Sind mehrere Personen erbberechtigt, kann ein gemeinsamer Erbschein (Gemeinerbschein) beantragt werden, der auflistet, wem was zusteht. Es können auch einzelne Erbscheine (Alleinerbschein) ausgestellt werden, die nur das auflisten, was der Antragsteller erben wird. Für die Beantragung des Erbscheins sind folgende Dokumente notwendig:
- Ausweis oder Reisepass
- Sterbeurkunde
- Familienstammbuch zur Dokumentation der Verwandtschaft
- Informationen, ob ein Erbrechtsstreit anhängig ist
- Namen und Anschriften der Miterben
- Nachweise, warum erbberechtigte Personen keine Erben mehr sind
- Wenn vorhanden, Testamente oder Erbverträge
- Nachweis über den Güterstand bei Eheleuten oder den Vermögensstand bei eingetragenen Lebenspartnerschaften
Wie lange ist der Erbschein gültig?
Ein deutscher Erbschein hat grundsätzlich keine begrenzte Gültigkeitsdauer. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass der Anspruch auf ein Erbe in Deutschland nach drei Jahren verjährt. Dies gilt auch für Pflichtteile.
Anders verhält es sich bei einem Europäischen Erbschein. Dessen Gültigkeitsdauer ist auf sechs Monate begrenzt. Der Europäische Erbschein kann notwendig werden, wenn sich ein Teil oder das gesamte Erbe im europäischen Ausland befinden und das jeweilige Land den für Deutschland gültigen Erbschein nicht anerkennt. Antragsteller erhalten in diesem Fall jedoch nicht das Original, sondern nur eine beglaubigte Kopie für die ausländische Behörde.
Kosten für die Ausstellung eines Erbscheins
Für die Ausstellung eines Erbscheins fallen in Deutschland Gebühren an. Diese richten sich nach dem Wert des Nachlasses (sogenannter Geschäftswert). Je höher das Erbe, desto höher auch die Gebühren.
Die folgende Tabelle zeigt die Kosten für einen Erbschein nach Geschäftswert:
Geschäftswert bis …
|
Gebühr
|
tatsächliche Kosten beim Nachlassgericht
|
---|---|---|
10.000 € | 75 € | 150 € |
50.000 € | 165 € | 330 € |
110.000 € | 273 € | 546 € |
200.000 € | 435 € | 870 € |
500.000 € | 935 € | 1.870 € |
1.000.000 € | 1.735 € | 3.470 € |
1.500.000 € | 2.535 € | 5.070 € |
2.000.000 € | 3.335 € | 6.670 € |
Hinweis: Die tatsächlichen Kosten setzen sich aus der einfachen Gebühr für den Erbschein und den zusätzlichen Kosten für die eidesstattliche Versicherung zusammen, in der der Antragsteller erklärt, erbberechtigt zu sein.
Absicherung bei erbrechtlichen Fragen
Erbangelegenheiten können komplex sein und rechtliche Fragen aufwerfen. Eine Rechtsschutzversicherung mit Erbrechtsschutz kann in solchen Fällen hilfreich sein. Die meisten Tarife decken die Kosten für eine anwaltliche Beratung ab, was bei Fragen zum Erbschein oder anderen erbrechtlichen Themen bereits eine wertvolle Unterstützung sein kann.