Vorhang auf für die nächste Generation von Webadressen
Stand: 12.06.2012
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: AFP
Washington - Die Internet-Adressverwaltung ICANN wird am Mittwoch die Bewerber um die generischen Top-Level-Domains (gTLD) enthüllen. Die frei wählbaren URL-Endungen sollen etablierte Kennungen wie .com oder .org künftig ergänzen. Über 1900 Anträge gingen seit Jahresbeginn bei der ICANN ein, die von einem "Meilenstein in der Geschichte des Internets" spricht. Organisationen und Unternehmen können unter ihrem Eigennamen künftig ganze Internet-Bereiche mit verschiedenen Websites betreiben.
Mehr als 2,2 Milliarden Menschen navigieren mittlerweile im Internet, ihre Ziele steuern sie über die Eingabe der Webadressen an. Über das Verzeichnis wacht die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), ein gemeinnütziges Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Kalifornien. Bislang erlaubten die Web-Wächter neben Länderbezeichnungen wie .de und thematischen Abkürzungen wie .com (Wirtschaft), .edu (Bildungseinrichtungen) oder .gov (Regierungen) nur einige Sonderendungen wie etwa die Rotlicht-Domain .xxx.
Die rasante Zunahme der Internetnutzer weltweit macht nun laut ICANN die Einführung neuer gTLD nötig. Ab dem 12. Januar konnten Interessenten die Einrichtung ihrer individuellen Top-Level-Domain beantragen. Ursprünglich sollte die Bewerbungsfrist im April enden, wurde dann aber bis zum 30. Mai verlängert. Zeitgleich mit der Einführung der neuen Adressen gibt es eine weitere Neuerung: Erstmals sollen Top-Level-Domains aus nicht-lateinischen Buchstaben bestehen können, etwa arabischen Schriftzeichen.
Der Vorschlag für die Öffnung der Adressendungen wurde schon im Jahr 2005 gemacht. Nach jahrelangen Verhandlungen stimmte die ICANN im Juni 2011 für den Beschluss und setzte sich über Befürchtungen hinweg, die neuen Domains könnten das System der Namensgebung im Netz durcheinander bringen. "Die verwirrende Anfangsphase wird kurz sein", versprach ICANN-Vorstandsmitglied Sébastien Bachollet damals.
Die Web-Wächter traten auch Sorgen über Missbrauch und Betrug entgegen, sollten etwa geschäftstüchtige Akteure aussagekräftige Endungen kapern, um sie sich für viel Geld wieder abkaufen zu lassen. Die ICANN erklärte, bei der Vergabe der gTLD auf den Schutz bekannter Namen und Marken zu achten.
Anders als bei der normalen Registrierung von Domain-Namen erwerben die Käufer mit der gTLD nicht einfach nur eine Webadresse, sondern ein Stück Internet-Infrastruktur. TLD-Besitzer operieren quasi als eigenständige Internetanbieter für ihren Adressenbereich und müssen die entsprechende technische Infrastruktur vorhalten und verwalten können.
Weil Registrierung und Betrieb einer Top-Level-Domain mit sehr hohen Kosten verbunden sind, richtet sich das Angebot ausschließlich an professionelle Anbieter aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und anderen Institutionen. Allein für die Anmeldung für das Vergabeverfahren bei der ICANN werden 185.000 Dollar (etwa 148.000 Euro) fällig. Dazu kommen nach Schätzungen des deutschen Branchenverbands Bitkom Projektentwicklungskosten von bis zu 500.000 Euro und jährliche Betriebskosten von bis zu 200.000 Euro.
In den kommenden Monaten will die ICANN in einem mehrstufigen Verfahren entscheiden, welche Anträge auf eine gTLD genehmigt werden. Die ersten Adressen mit den neuen Endungen sollen im Jahr 2013 online gehen. Einige Wunsch-Domains von Bewerbern wurden bereits bekannt. Der US-Internetriese Google teilte etwa mit, sich die Adressen für Markennamen wie .google oder .youtube sichern zu wollen. Außerdem hat es der Konzern auf Top-Level-Domains mit einem "kreativen Potenzial" wie die Endung .lol abgesehen. Das für "laughing out loud" (laut loslachen) stehende Kürzel ist eine Standardformulierung im Netz.
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