Düsseldorf/Bonn (dpa/lnw) - Es ist die grösste Klagewelle, die
jemals auf ein deutsches Unternehmen zurollt. Aktionäre der
Deutschen Telekom fordern ihr Geld zurück, das sie beim 3.
Börsengang vor drei Jahren für den Kauf von T-Aktien investiert
haben. 10.000 bis 11.000 Anleger, schätzt die Deutsche
Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf, dürften
es sein, die ihre Ansprüche auf Schadensersatz absichern wollen.
Die T-Aktionäre fühlen sich verschaukelt - vom grössten
europäischen Telekommunikationskonzern und vor allem vom Bund als
Grossaktionär. Dieser hatte bei dem umstrittenen Börsengang durch die
erstmalige Abgabe von T-Aktien kräftig Kasse gemacht. Bei einem
Ausgabepreis von 66,50 Euro (Privatanleger: 63 Euro) flossen rund 15
Milliarden Euro in die Schatulle des Bundesfinanzministers.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kurs der T-Aktie bereits auf
Talfahrt. "Für die Anleger habe praktisch keine Chance bestanden,
ihre frisch erworbenen Papiere mit einem Plus zu verkaufen", sagt
Jürgen Kurz von der DSW. Ein solches Ansinnen erscheint bei einem
Aktienkurs um die 12 Euro gegenwärtig schier utopisch. Wer sich
Mitte 2000 T-Aktien ins
Depot legte, büsste bis heute 80 Prozent
seines Vermögens ein.
Viele Anleger haben zu spät erkannt, dass die Börse keine
Einbahnstrasse ist. Aktien sind ein Risikopapier - auch wenn der
frühere Telekom-Chef Ron Sommer die T-Aktie oft als sicheres
Rentenpapier mit fantastischen Kursperspektiven pries. Angesteckt
von der Börseneuphorie liessen sich viele private Investoren durch
die Aussicht auf einen schnellen Gewinn treiben. "Das war Dummheit",
räumt T-Aktionärin Margot Buchholz ein: "Ich hätte meine
Aktien eher
verkaufen sollen."
Trotzdem machen sich viele Anleger weiterhin Hoffnungen darauf,
dass sie noch glimpflich davon kommen und entschädigt werden. Das
Börsenprospekt enthalte falsche Angaben über Immobilien des
Unternehmens. Ausserdem seien die Investoren nicht auf riskante
Investitionen aufmerksam gemacht worden, lauteten ihre Vorwürfe.
Tausende reichten Klage ein, die Wiesbadener Anwaltskanzlei Doerr
& Partner vertritt allein mehr als 5.500 Kleinanleger. Mit diesem
Schritt wollen sie in letzter Minute die Verjährungsfrist aushebeln,
die an diesem Montag um 24.00 Uhr auslief. Andere T-Aktionäre haben
einen Schlichtungsantrag bei der Öffentlichen Rechtsauskunft und
Vergleichsstelle der Freien Hansestadt Hamburg (ÖRA) gestellt. Auch
hier wird die Verjährungsfrist bis sechs Monate nach dem
Schlichterspruch ausgesetzt.
Nicht eingegangen ist die
Telekom auf die Forderung der DSW und
anderen Aktionärsschützern, auf die Einrede der Verjährung zu
verzichten. Die Angabe im Börsenprospekt seien richtig gewesen,
unterstrich Vorstandschef Kai-Uwe Ricke in der vergangenen Woche.
Die Klagen schadeten nur dem Ansehen der Telekom. "Wir haben uns
nichts vorzuwerfen - und das wird sich auch herausstellen", betonte
Ricke. Zum Schutz der anderen Aktionäre halte das Unternehmen an der
Verjährungsfrist fest.
Experten halten beim derzeitigen Informationsstand die
Erfolgsaussichten der Klagen für äusserst gering. "Es wird schwer
sein zu beweisen, dass das Börsenprospekt falsch ist", meint Kurz
von der DSW. Aber ein Türchen wollen sich Aktionärsschützer offen
halten für den Fall, dass die Bonner Staatsanwaltschaft fündig wird.
Denn die ermittelt seit längerem in Sachen
Immobilienbewertung
gegen die Telekom sowie frühere Manager und Aufsichtsräte des
Konzerns. Ein Abschluss der Untersuchungen ist nicht absehbar. Die
DSW kündigt schon einmal vorsorglich an: "Wir werden klagen, wenn
sich die Informationslage ändert."