Berlin (dpa) - Im Streit um ihre Börsengänge droht der
Deutschen Telekom nun auch eine Sammelklage von deutschen Kleinanlegern in den
USA. Die beiden Anwaltskanzleien Tilp & Kälberer sowie Kuhlig
kündigten am Dienstag in Berlin an, im Auftrag von mehreren hundert
Aktionären demnächst Klage vor einem Gericht in New York
einzureichen. Die Klage soll sich auch gegen den Bund sowie eine
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft richten. Hintergrund sind Vorwürfe,
dass die Ausgabepreise der Telekom-Aktien bei den drei Börsengängen
überhöht gewesen sein sollen. Telekom und Bund hatten die
Anschuldigungen stets zurückgewiesen.
Ende vergangenen Jahres hatte ein New Yorker Bundesgericht bereits
eine Sammelklage von US-Investoren gegen die
Telekom zugelassen. Die
Kanzleien Tilp & Kälberer mit Sitz in Kirchentellinsfurt (Baden-
Württemberg) sowie Kuhlig aus Jena wollen nun aber eine eigene Klage
einreichen. Sie vertreten nach eigenen Angaben bislang rund 500
Anleger, die sich von der Telekom und dem Grossaktionär Bund getäuscht
fühlen. Diese Mandaten seien auch zu einer Sammelklage in den USA
bereit, sagte Anwalt Andreas Tilp. Allerdings ist strittig, ob solch
eine Klage überhaupt zulässig ist.
Beim Amtsgericht Frankfurt/Main sind von Tilp & Kälberer bereits
34 Klagen mit einem Streitwert von zehn Millionen Euro anhängig. Auch
mehrere andere deutsche Kanzleien sind mit den Vorwürfen befasst. In
Deutschland läuft die Klagefrist wegen Betrugs in den
Börsenprospekten allerdings Ende Mai ab. Wer bis dahin keine
juristischen Schritte eingeleitet hat, geht leer aus. In den USA
verjähren die Vorwürfe nach Angaben der Anwälte nicht so schnell.
Hintergrund sind Beschuldigungen, dass Telekom und Bundesregierung
bei drei Börsengängen milliardenschwere Risiken verschwiegen haben
sollen. Dabei stützen sich die Anwälte vor allem auf ein Schreiben
des früheren Finanzvorstands Joachim Kröske aus dem September 1999.
Am Dienstag präsentierten die Anwälte noch ein älteres Schreiben aus
dem Jahr 1994, in dem Kröske und der damalige Vorstandschef Helmut
Ricke - der Vater des heutigen Telekom-Chefs - von "Korrekturbedarf
für das Vermögen und das
Eigenkapital" berichten.
"Schon die Eröffnungsbilanzen waren getürkt", sagte Tilp. Seine
Kanzlei wirft der Telekom und dem Bund vor, die Anleger "mindestens
drei Mal abgezockt" zu haben. Die Telekom hatte 1996, 1999 und 2000
Aktien an der Börse platziert. Der Konzern reagierte auf die neuen
Anschuldigungen gelassen. "Alle unsere Börsenprospekte sind richtig,
weil alle relevanten Unternehmensdaten umfassend und angemessen
dargestellt wurden", sagte Telekom-Sprecher Hans Ehnert.
Bei der Sammelklage in den USA will die baden-württembergische
Kanzlei mit der US-Kanzlei Lieff & Cabraser sowie dem
Prozessfinanzierer Juragent aus Leipzig zusammenarbeiten. Den Gang
vor die US-Gerichte begründete Tilp damit, dass die Justiz dort
unabhängiger sei. "Wir glauben, dass sich ein amerikanisches Gericht
vom Bund weniger beeinflussen lässt."