Neue Handelsregeln an der Börse bei Kauf- und Verkaufsaufträgen
Stand: 08.01.2018
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Frankfurt - Wer Kauf- oder Verkaufsorders mit recht krummen Beträgen gesetzt hat, der hat Anfang des Jahres womöglich eine böse Überraschung erlebt: Durch die neue Richtlinie der EU wurden die Aufträge gar nicht oder zumindest nicht so wie gewünscht ausgeführt. Diese sieht nämlich vor, dass viele Aktien nur noch in größeren Schritten gehandelt werden dürfen als zuvor.
Stein des Anstoßes ist die Frage, in welchen Kursabständen Aktien an den Börsen gehandelt werden dürfen. Bisher konnte jeder Handelsplatz diese sogenannte Ticksize recht frei bestimmen, was aber nach Ansicht der EU ein Wettrüsten in Gang setzen könnte nach dem Motto "Wer zieht mit den kleinsten Ticks die meisten Investoren an?"
Am Ende wären die normalen Privatanleger nach Einschätzung der EU-Politiker mal wieder die Gelackmeierten, die von den im Millisekundenbereich agierenden Maschinen der Hochfrequenzhändler über den Tisch gezogen würden.
Also beschloss die Europäische Kommission, einheitliche Standards für die Festlegung der Tickgrößen zu setzen. Diese sind nun abhängig vom Kurs und von der durchschnittlichen täglichen Anzahl der Geschäfte, die in der Aktie getätigt werden. Damit gilt generell: Je reger der Handel und je tiefer der Kurs ist, desto kleiner sind die Ticks und umgekehrt. So kann beispielsweise das Papier von Audi jetzt nur noch in Schritten von 2 Euro statt in Abständen von 0,05 Euro gehandelt werden, weil es zum einen mit mehr als 700 Euro aktuell recht hoch notiert und zum anderen kaum ge- oder verkauft wird - schließlich befinden sich 99,55 Prozent der Aktien des Premium-Autobauers im Besitz von Volkswagen.
Chaos an der Börse in den ersten Handelstagen
Das neue System hat zu Jahresbeginn die Börsenlandschaft kräftig durcheinander gewirbelt. Die meisten Tickgrößen wurden angepasst, und zwar zumeist nach oben. Börsenbriefautor Hans Bernecker sprach von "Chaos" auf dem Parkett: "Fast alle sind betroffen und in den Handelsabteilungen der Banken und Broker wurde in den ersten Tagen des Jahres mächtig geflucht." Immerhin aber habe die EU nun zumindest optisch für etwas mehr Transparenz bei den Preisen gesorgt und damit dem technologischen Wettrennen der Börsen etwas Einhalt geboten, sagte Oliver Roth, Chef-Händler bei der Bank OddoSeydler.
Die großen Börsen wollten sich auf Anfrage nicht detailliert zu den Auswirkungen der Umstellung der Tickgrößen äußern. Das neue System betraf aber offenbar jeden, dessen Orders aus dem alten Jahr nicht mehr in das nun gültige Schema passten. Diese Anleger seien nun mit ihren Preisvorstellungen nicht zum Zuge gekommen, sagte de Schutter. Denn wer zum Beispiel Ende 2017 eine Aktie erst bei einem Rutsch unter 26,70 Euro verkaufen wollte, die jetzt nur in Abständen von 0,50 Euro gehandelt wird, sah in die Röhre: Je nach Handelsplatz wurde der Auftrag entweder gestrichen oder eben bereits viel früher zu 27,00 Euro ausgeübt, obwohl der Anleger doch eigentlich noch etwas tiefere Kurse hätte verschmerzen können.
Neue Richtlinie läuft Expertentipps zuwider
Dabei wurde den Privatanlegern in der Vergangenheit von Experten immer geraten, bei der Festlegung ihrer Verkaufslimits gerade keine glatten Beiträge zu verwenden. Denn bei den runden Marken tummeln sich traditionell viele Aufträge, die im Falle von Kurseinbrüchen automatisch ausgelöst werden und so die Talfahrt der Aktie noch beschleunigen können. Im ungünstigsten Fall können die Verkaufsorders dann gar nicht ausgeführt werden, weil sich fast alle Anleger wie die Lemminge in die gleiche Richtung stürzen, so dass dann unerwartet deutliche Verluste drohen. Gewinner des Herdentriebes an der Börse sind nicht selten die mit allen technischen Wassern gewaschenen Hochfrequenzhändler, denen die EU doch eigentlich den Garaus machen will.
Vor allem Aktien über 50 Euro „betroffen“
Das Problem mit den runden Marken betrifft Roth zufolge vor allem viele schwere Aktien, die 50 Euro oder mehr kosten und somit weniger als zuvor zu krummen Beträgen gehandelt werden. Bei diesen Papieren werde nun die Feststellung marktgerechter Preise erschwert.
Allerdings hat Roth auch einen Tipp für Anleger parat: Statt auf starre Verkaufsorders zu setzen, könnten sie ihre Aufträge auch automatisch an steigende Kurse nach oben anpassen lassen. Dann könnten sie zumindest den ganz großen runden Marken aus dem Weg gehen, die viele Investoren auf dem Schirm haben.