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Gericht entscheidet über Hochspannungsleitung durch Thüringen

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dapd

Großbreitenbach/Erfurt - Die Energiewende erfordert nicht nur den Ausbau Erneuerbarer Energien, auch das deutsche Stromnetz muss leistungsfähiger werden. Eine neue Hochspannungsleitung quer durch den Thüringer Wald hört sich zunächst gut an - doch es gibt viele Widersacher.

2006 stand Jürgen Töpfer in der Tür der damaligen Bürgermeisterin von Großbreitenbach, Petra Enders. "Petra, wir müssen uns hinsetzen und uns überlegen, was wir dagegen unternehmen können", sagte er. Töpfer kam gerade von einer Informationsveranstaltung zur geplanten Hochspannungsleitung quer durch den Thüringer Wald. "Eigentlich war er es, der die breite Bürgerbewegung gegen die Trasse initiiert hat", sagt Enders sechs Jahre später.

Die Linken-Politikerin kämpft zusammen mit Tausenden Einwohnern wie Töpfer und Dutzenden Kommunalpolitikern aus allen Parteien seit dieser Zeit leidenschaftlich gegen die Leitung, die besser unter der Bezeichnung 380-Kilovolt-Trasse bekannt ist. Kein anderes Energieprojekt im Freistaat ist so umstritten wie dieses. Beim Streit geht es um den zweiten und dritten Bauabschnitt der Thüringer Strombrücke - einer Hochspannungsleitung, die Strom aus dem Raum Halle/Saale in den Raum Schweinfurt bringen soll.

Die Fronten sind verhärtet

Dabei ist klar: Kommt die Leitung, wird sie massive Eingriffe für den Thüringer Wald bedeuten, den sie durchqueren soll. Die eigentliche Frage ist deshalb: Ist ein solch gravierender Eingriff zu rechtfertigen? Die Befürworter des Projektes, zu denen neben der projektausführenden ehemaligen Vattenfall-Tochter 50Hertz Transmission GmbH erklärtermaßen auch die Thüringer Landesregierung und allen voran Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) gehören, sehen die Leitung als notwendig für die Energiewende an. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es, es bestehe in Deutschland "weitgehend Konsens darüber, dass für die Energiewende und den Ausbau der regenerativen Energieversorgung Leitungen benötigt werden, die den Strom zwischen Nord- und Süddeutschland transportieren".

Komme es nicht zum Ausbau der Stromnetze, könne die produzierte Energie zum Beispiel aus den Windparks im Norden nicht ausreichend zu den Verbrauchern im Süden transportiert werden. Gegner wie Töpfer und Enders, die vor Kurzem zur neuen Landrätin des Ilm-Kreises gewählt wurde, sehen das anderes. Sie bezweifeln die Notwendigkeit grundsätzlich. Nach ihrer Auffassung muss ein Netzumbau vor dem Netzneubau stehen. Sie fordern, das bestehende Stromnetz zu modernisieren, um mit der vorhandenen Infrastruktur eine größere Energiemenge transportiert zu können.

Die Behauptung, die Leitung sei für die Energiewende nötig, nennt Enders "eine Lüge". "Die Leitung ist nicht grün und nicht regenerativ!", sagt sie. Die Trasse diene primär der Übertragung von ostdeutschem Kohlestrom nach Süddeutschland - auch bei Starkwindeinspeisung. "Das ist aus Unterlagen beim Landesverwaltungsamt eindeutig zu entnehmen." Außerdem seien gerade erneuerbare Energien dafür prädestiniert, dezentral erzeugt und verbraucht zu werden. Sie fordert deshalb ein energiepolitisches Konzept für ganz Deutschland.

Das Stuttgart-21 in Thüringen?

Die verhärteten Fronten haben in der Vergangenheit auch rhetorisch zu Eskalationen geführt. Machnig sagt immer wieder, die Menschen müssten weg von einer "Nicht-in-meinem-Hinterhof"-Mentalität. Solche Sätze bringen die Trassengegner auf die Palme. "Wir stehen dem Fortschritt überhaupt nicht im Wege", sagt Töpfer. "Das tun nur die, die die Leitung bauen wollen." Enders vergleicht den Widerstand mit dem gegen Stuttgart 21. Dass ihr Protest ebenso wie der gegen den Bahnhofsneubau am Ende scheitern könnte, glaubt sie nicht. "Wir haben uns von Anfang an intensiv mit dem Projekt auseinandergesetzt, technische Alternativen aufgezeigt und versucht, den offenen Dialog mit Bund, Land und Vorhabensträger zu führen."

Ist die Leitung nun also zu rechtfertigen, oder nicht? Wie viel Schaden darf man der Natur zufügen, um das Klima zu retten? Wie so oft in den vergangenen Jahren, wenn es um wirtschaftspolitische Großprojekte ging, wird das ein Gericht zu entscheiden haben. Die Trassengegner haben gegen den Baurecht schaffenden Planfeststellungsbeschluss für den zweiten Abschnitt der Trasse im März Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht.