Milliarden-Entlastung für Krankenversicherte ab 2019
Stand: 08.06.2018
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Berlin – Für mehr als 56 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen werden die Zusatzbeiträge ab kommendem Jahr günstiger. Arbeitnehmer und Rentner werden um 6,9 Milliarden Euro jährlich entlastet – jedoch zulasten der Arbeitgeber. Diese protestierten bereits scharf gegen die zusätzlichen Belastungen.
Das Kabinett brachte am 6. Juni 2018 einen Entwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf den Weg, der ein zentrales Vorhaben der großen Koalition umsetzt. Damit sollen ab 1. Januar 2019 auch die jetzt von den Mitgliedern allein zu zahlenden Zusatzbeiträge zur Hälfte von den Arbeitgebern getragen werden. Spahn sprach von einem "guten Tag für die gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland". In den Koalitionsverhandlungen hatte die SPD darauf gedrängt, dass Arbeitgeber und -nehmer insgesamt wieder gleich herangezogen werden. Parteichefin Andrea Nahles sprach von einem Riesen-Entlastungspaket: "Halbe-halbe ist gerecht." Das besonders eilbedürftige Gesetz kommt jetzt in den Bundestag; zustimmungspflichtig im Bundesrat ist es nicht.
Zusatzbeiträge für Arbeitnehmer und Rentner sinken
Seit 2015 setzt sich der Krankenkassenbeitrag aus einem einheitlichen allgemeinen Satz und einem flexiblen Zusatzbeitrag zusammen. Der allgemeine Beitragssatz liegt bei 14,6 Prozent und wird jeweils zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert. Zusatzbeiträge, die Kassen für sich festlegen können, schultern die Mitglieder bisher allein. Diese Zusatzbeiträge liegen aktuell bei durchschnittlich 1,0 Prozent.
Durch die paritätische Finanzierung des Zusatzbeitrags werden Arbeitnehmer- und geber die Zusatzbeiträge jeweils hälftig tragen. Die Kosten der aktuellen Zusatzbeiträge halbieren sich damit für Versicherte. Die Tabelle zeigt, wie sehr sich die Neuregelung auf die Krankenversicherungsbeiträge auswirkt. Bei einem Bruttoeinkommen von 3.500 Euro und einem Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent sinkt der gesamte Versicherungsbeitrag um 15,75 Euro monatlich. Das spiegelt sich aber nicht gleich beim Nettolohn wieder. Da Kosten für die Krankenversicherung komplett steuerlich absetzbar sind, liegt die Nettoersparnis etwas niedriger – je nach Steuerklasse.
Auch Selbstständige mit geringen Einnahmen sollen profitieren. Für sie soll der monatliche Mindestbeitrag auf 171 Euro halbiert werden; dies ermögliche, bis zu 180 Euro weniger Beitrag zu zahlen. Insgesamt sollen die Beitragszahler um acht Milliarden Euro entlastet werden.
Alle Zusatzbeiträge im Verivox-Verbraucheratlas
Arbeitgeber tragen Zusatzbeiträge zur Hälfte
Die traditionelle Parität war schon vor 13 Jahren zulasten der Arbeitnehmer aufgeweicht worden. Von 2005 bis 2014 mussten sie einen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent zahlen – das sollte damals die Arbeitgeber entlasten. Angesichts der guten Finanzlage der Kassen gebe es nun Spielraum für Entlastungen der Beitragszahler, argumentiert die Regierung. Im Gesetz soll es daher künftig heißen: "Beschäftigte (...) und ihre Arbeitgeber tragen die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte."
Kritik aus der Wirtschaft
Die Arbeitgeberverbände (BDA) sprachen von einem "Tiefschlag für Wettbewerb, Wachstum und Beschäftigung". Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter kritisierte, es passe nicht zusammen, dass die Koalition über Vollbeschäftigung rede, nun aber "die größte Zusatzbelastung durch Lohnzusatzkosten in der deutschen Sozialgeschichte durchwinken will". Das Handwerk betonte, die Arbeitgeber finanzierten mit der Lohnfortzahlung bei Krankheit schon jetzt einen höheren Anteil der Krankheitskosten von Arbeitnehmern.
Spahn nannte den mit der SPD gefundenen Kompromiss hingegen "vertretbar". Wichtig sei eine Gesamtschau der Koalitionspläne, zu denen etwa auch eine Senkung des Arbeitslosenbeitrags gehöre. Die Linke im Bundestag sprach von "Stückwerk", da Versicherte weiterhin etwa vier Milliarden Euro im Jahr an Zuzahlungen für Zahnersatz, Brillen und anderes aus eigener Tasche zahlen müssten.
Krankenkassen müssen Finanzpolster abbauen
Spahns Entwurf sieht außerdem vor, dass gesetzliche Kassen mit besonders großem Finanzpolster Reserven abbauen müssen. Er hat diese Pläne wegen Widerständen in SPD und Union aber abgeschwächt. So soll diese Verpflichtung erst ab dem 1. Januar 2020 greifen. Bedingung ist außerdem, dass bis dahin eine Reform des komplizierten Finanzausgleichs unter den Kassen geschafft ist. Dann wären ab 2020 Beitragssenkungen von bis zu 1,5 Milliarden Euro jährlich möglich. Spahn betonte, der Wettbewerb solle nicht mehr verzerrt werden, weil einige Kassen zu viele Reserven anhäufen. Das Gesetz sieht unter anderem auch vor, dass frühere Zeitsoldaten leichter in die gesetzliche Krankenversicherung kommen können.