Alles wieder gut? - Optimisten und Warner in Davos
Stand: 27.01.2014
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Davos - Halb voll oder halb leer? Die Wasserglasfrage war beim Weltwirtschaftsforum in Davos allgegenwärtig, wann immer es um Europa ging. Regierungspolitiker - unter ihnen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) - gehörten durchweg zur "Halbvoll-Fraktion". Sie mühten sich beim Treffen der wirtschaftlichen und politischen Welteliten, Optimismus zu verbreiten. EU-Kommissionschef José Manuel Barroso rief einmal mehr das Ende der "existenziellen Bedrohung des Euro" aus. Nüchtern kalkulierende Banker, Manager und Ökonomen warnten hingegen vor allzu viel Übermut.
Ex-Bundesbankchef Axel Weber sprach ihnen aus dem Herzen: "Ich bin immer noch besorgt", betonte der heutige Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS. "Ein Wachstum von einem Prozent ist für Europa einfach nicht genug." Es reiche nicht aus, um die vor allem im Süden grassierende Arbeitslosigkeit bekämpfen zu können. "Die größten Verlierer der Schuldenkrise sind die arbeitslosen Jugendlichen."
"Es ist schon drollig, was in Europa alles so als gute Nachricht aus der Wirtschaft durchgeht", spottete das US-Magazin "Time" angesichts von einem Prozent Wachstum - im Vergleich zu drei Prozent in den USA. Die Stabilität der Eurozone werde immer noch stark in Frage gestellt. "Und das bleibt auf absehbare Zeit das größte Risiko für die globalen Märkte."
Oft wurde die Gefahr einer Deflation angesprochen - einer Spirale aus verfallenden Preisen für Waren und Dienstleistungen und ein damit verbundenes Schrumpfen der Wirtschaft. Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), wiegelte ab: Eine niedrige Inflation sei normal nach einer Krise. Sollte es dennoch ernste Probleme geben, will er die "EZB-Bazooka" nachladen: Zur Euro-Rettung werden "sämtliche vertraglich erlaubten Mittel" eingesetzt".
Der Harvard-Wirtschaftsprofessor Kenneth Rogoff glaubt nicht, dass die bisherigen Maßnahmen ausreichen, um Europa aus der Krise zu führen. Abgesehen von einer viel stärkeren Integration brauche Europa einen Schuldenschnitt. "Es wird kaum möglich sein, in peripheren Ländern viel Wachstum zu erzielen, solange dieser Überhang an Bankschulden, privaten und öffentlichen Schulden besteht", sagte der WEF-Teilnehmer der "Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag". "Ohne Schuldenschnitt dauert die Erholungsphase Jahrzehnte."
Im Halb-Voll-Optimismus der EU-Politiker sahen Davos-Teilnehmer auch eine Positionierung vor den Europawahlen im Mai. EU-Bürger, die Zweifel am Eurosegen haben, könnten dann Rechtspopulisten im Europaparlament stärken, so wird befürchtet. Etliche Parteien wollen den europäischen Einigungsprozess bremsen - darunter die Alternative für Deutschland (AfD), deren Chef Bernd Lucke erklärt: "Mehr Europa ist nicht die Antwort auf Europas Probleme".
Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet das Land, das als Lokomotive Europas gilt, diesmal kaum in Erscheinung trat. Früher reiste aus Berlin das halbe Kabinett an. Jetzt blieb es Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) überlassen, die Bundesrepublik zu vertreten. Kritisiert wurde das auch von deutschen Managern, die sich beim WEF mehr politische Unterstützung gewünscht hätten.
Als Schäuble darauf angesprochen wurde, verwies er auf die langwierige Regierungsbildung: "Wir mussten jetzt endlich mal mit unserer Arbeit beginnen..." Mit einem Anflug von Selbstironie fügte der Davos-Routinier hinzu: "Da muss man halt verstehen, dass wir nur zweitklassige Vertreter hierher entsenden konnten."
Die Top-Manager der Welt sind dennoch begeistert von der Bundesrepublik, wie in Davos veröffentlichten Umfragen mit Bestnoten für Deutschland zeigen. Viele erwarten einen weiteren Schub für die deutsche Wirtschaft durch einen Abbau der ultralockeren Geldpolitik in den USA. Anleger dürften dann - zum Nachteil von Schwellenländern - verstärkt in Volkswirtschaften investieren, die als besonders wettbewerbsfähig gelten. Deutschland steht laut Studie der Beratungsgesellschaft PwC erstmals auf dem dritten Platz der beliebtesten Investitionsorte - hinter den USA und China.