Prozesskostenhilfe
Ein Rechtsstreit kann teuer werden, vor allem dann, wenn er sich über Jahre hinwegzieht. Doch nicht jeder hat die finanziellen Mittel, um sein gutes Recht durchzusetzen. Zu diesem Zweck gibt es die Prozesskostenhilfe beziehungsweise die Verfahrenskostenhilfe. Dabei handelt es sich um eine staatliche Fürsorgeleistung. Die Prozesskostenhilfe (PKH) bei Familiensachen heißt im Übrigen Verfahrenskostenhilfe (VKH), die Regelungen sind aber weitgehend identisch.
- Was ist Prozesskostenhilfe?
- Wer bekommt Prozesskostenhilfe?
- Wie beantrage ich Prozesskostenhilfe?
- Wie lange kann Prozesskostenhilfe zurückgefordert werden?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Prozesskostenhilfe soll es finanziell schwächer gestellten Personen ermöglichen, ihre Ansprüche vor Gericht durchzusetzen und sich gegen fremde Forderungen zu schützen.
- Wer einen Rechtsstreit selbst finanzieren kann oder eine Rechtsschutzversicherung besitzt, hat in der Regel keinen Anspruch auf die staatliche Unterstützung.
- In der Regel übernimmt die Prozess-/Verfahrenskostenhilfe nicht die Kosten für die Aufwendungen der Gegenseite – wie die gegnerischen Anwaltskosten –, sondern nur die eigenen.
Was ist Prozesskostenhilfe?
Die Prozesskostenhilfe übernimmt die Gutachter- und Gerichtskosten und die Kosten des eigenen Anwalts. Dabei werden immer nur die gesetzlich geregelten Kostensätze bezahlt. Dennoch bleibt ein Risiko: Wer das Verfahren verliert, muss die Anwalts- und Gutachterkosten der Gegenseite mindestens teilweise übernehmen.
Die Kosten können vollständig von der Staatskasse übernommen werden. Oder es wird eine Ratenzahlung vereinbart. Raten erhalten Antragsteller, die zwar über Einkommen verfügen, das über die Höchstgrenze von 15 Euro hinausgeht („Beispielrechnung“). Ihr Einkommen reicht dennoch nicht, um die gesamten Kosten sofort zu bezahlen.
Wer bekommt Prozesskostenhilfe?
Wer Prozesskostenhilfe bekommt, regelt der § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO). Dort heißt es:
„Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.“
Kurzum: Wer sich ein Gerichtsverfahren nicht oder nur teilweise leisten kann und die Aussicht auf ein erfolgreiches Verfahren hat, bekommt finanzielle Hilfe. „Nicht mutwillig“ bedeutet: Jemand zieht vor Gericht, obwohl er genau weiß, dass dieser Weg umständlich und mit hohen Kosten verbunden ist.
Beispielrechnung Single (mit Kind):
- Einkommen: 1.600 €
- Ausgaben (Miete, Werbungskoten etc.): 600 €
- Freibeträge: 1.040 €
- Vermögen: 0 €
- Einzusetzendes Einkommen: -40 €
- Höhe Rückzahlungsrate: 0 € (ratenfrei)
Beispielrechnung Familie (ohne Kind):
- Einkommen: 1.800 € (ein Ehepartner)
- Ausgaben (Miete, Werbungskoten etc.): 800 €
- Freibeträge: 700 €
- Vermögen: 5.000 €
- Einzusetzendes Einkommen: 30 €
- Höhe Rückzahlungsrate: 15 €
Hinweis: Näherungswerte; Gericht entscheidet über Erstattung
Wichtig: Ratenzahlungsdauer maximal 48 Monate, wenn Restbetrag, dann verfällt dieser
PKH/VKH erhalten Kläger/Beklagte bei Verfahren an folgenden Gerichten:
- Arbeitsgericht
- Finanzgericht
- Sozialgericht
- Verwaltungsgericht
- Zivilgericht
- Bundesverfassungsgericht
Bisher gibt es keine PKH/VKH bei Strafverfahren. Ab Mai 2019 greift allerdings eine neue EU-Vorschrift, nach der Beschuldigte und Kläger auch im einem Strafverfahren die finanzielle Hilfe beantragen können.
Wer eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, den unterstützt der Staat in der Regel nicht finanziell. Denn in solchen Fällen kann die Rechtsschutzversicherung die Kosten für den Anwalt und das Gericht übernehmen. Gleiches gilt, wenn eine andere Person – wie der Lebenspartner – die Kosten für einen Rechtsstreit aufbringen könnte. Aus diesem Grund müssen Antragssteller ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse vollständig offenlegen.
Wie beantrage ich Prozesskostenhilfe?
In Regel ist ein Antrag beim zuständigen Gericht einzureichen. Dazu stellen Gerichte und Behörden einen digitalen Vordruck bereit, der zudem allgemeine Hinweise zum Ausfüllen bereitstellt. Antragssteller müssen darin über ihre finanzielle und persönliche Lage Auskunft geben und dafür entsprechende Belege als Kopie beifügen. Außerdem müssen sie genau erklären, worum es in dem Streitfall geht und alle Beweismittel angeben.
Wer Beratungshilfe beim Ausfüllen benötigt, kann sich einen anwaltlichen Rat einholen. Das Beratungshilfegesetz leistet dabei finanzielle Unterstützung, wonach Personen mit geringem Einkommen eine kostenfreie oder vergünstigte Rechtsberatung bekommen können.
Ob die beantragte Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe gewährt wird, darüber entscheidet das Gericht, bei dem das Verfahren zu beantragen ist oder bereits läuft.
Wichtig: Sind die Angaben nicht vollständig oder nicht richtig, kann das Gericht den Antrag ablehnen oder bisher gezahlte Leistungen zurückfordern. Wer bewusst falsche Angaben tätigt, der kann im Übrigen strafrechtlich verfolgt werden.
Wie lange kann Prozesskostenhilfe zurückgefordert werden?
Antragssteller, bei denen sich die finanzielle Situation verbessert oder verschlechtert, müssen das dem Gericht umgehend melden. Das gilt zum Beispiel, wenn das Bruttogehalt monatlich um 100 Euro gestiegen beziehungsweise gesunken ist oder die Mietkosten gestiegen sind. Das gilt sowohl ab Bewilligung der PKH/VKH als auch für eine Frist von vier Jahren nach dem Gerichtsurteil. Kommen Antragssteller dieser Pflicht nicht nach, kann das Gericht die Bewilligung des Antrages aufheben und die gesamten Kosten zurückfordern. Wer sich hingegen fristgerecht meldet, zahlt entsprechend höhere oder geringe Raten, die sich am persönlichen Einkommen orientieren.
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