Niedriglöhne und hohes Armutsrisiko - OECD verlangt Reformen
Stand: 14.05.2014
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Berlin - Die OECD fordert von der großen Koalition rasche Reformen, um ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum zu sichern und das Armutsrisiko zu bekämpfen. "Um nachhaltige Erfolge zu erzielen, muss der Reformprozess gerade auch in guten Zeiten weitergehen. Für Deutschland heißt das: Das Land muss jetzt handeln", sagte der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Angel Gurría, am Dienstag in Berlin.
Die OECD erwartet für Deutschland 2014 ein Wachstum von 1,9 Prozent, im Jahr darauf von 2,3 Prozent. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einer guten Prognose, aber auch der Mahnung an Schwarz-Rot, sich nicht auszuruhen: "Wir glauben, dass ganz Vieles davon angelegt ist in der Politik der großen Koalition, aber manches auch noch fehlt."
Aufstiegschancen stark abhängig vom Wohlstand der Eltern
In dem alle zwei Jahre vorgelegten Bericht stellt die OECD fest, dass das relative Armutsrisiko und die Einkommensungleichheit in den vergangenen Jahren weitgehend unverändert geblieben seien. Deutschland habe zwar eine der geringsten Arbeitslosenraten. Der stark wachsende Niedriglohnsektor aber sei ein Problem. Gurría kritisierte erneut das deutsche Bildungssystem. Aufstiegschancen junger Menschen seien in keinem anderen OECD-Land so abhängig vom Wohlstand des Elternhauses.
Die OECD - ein Zusammenschluss von 34 Industrieländern - regt Steuerentlastungen und geringere Sozialabgaben vor allem für Geringverdiener an. Gurría lobte ausdrücklich die geplante Einführung eines allgemeinen Mindestlohns. Steuersubventionen sollten aber gestrichen und das Rentenpaket von Union und SPD aus Steuermitteln und nicht über die Sozialkassen finanziert werden.
Gabriel betonte, die OECD erkenne an, dass die deutsche Volkswirtschaft bemerkenswert widerstandsfähig sei. Umgekehrt sei zu begrüßen, dass der Bericht auch kritisch auf Probleme sozialer Ungleichheit und die Gefahr einer Spaltung am Arbeitsmarkt hinweise.
Finanzkrise: "Immer noch nicht übern Berg"
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, mahnte die Notenbanken erneut zu einem allmählichen Ausstieg aus der Politik des extrem lockeren Geldes. Dies müsse auch kommuniziert werden, sagte Lagarde nach einem Treffen der Spitzen der Welt-Finanz- und Wirtschaftsorganisationen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Nach Angaben von Merkel hat dabei Einigkeit bestanden, dass die große Krisen bewältigt worden seien. Keine der Krise aber gebe Anlass dafür, die Hände in den Schoß zu legen.
Gurría sagte nach der Runde: "Wir sind immer noch nicht übern Berg." Die Wachstumsraten seien niedrig, die Arbeitslosigkeit sei hoch. Auch gebe es wachsende Ungleichgewichte und ein große Vertrauenskrise. "All das läuft erst mit halber Kraft." An dem Gespräch nahmen auch Weltbank-Präsident Jim Yong Kim, der Generaldirektor der Arbeitsorganisation ILO, Guy Ryder, sowie der Chef der Welthandelsorganisation (WTO), Roberto Azevêdo, teil.
In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, die weltwirtschaftliche Entwicklung habe sich spürbar verbessert. Sie sei aber "von einem robusten, nachhaltigen Wachstum noch weit entfernt". Beträchtliche Risiken verschiedener Art bestünden fort. Sehr hohe Arbeitslosigkeit, eine erhebliche Produktionslücke, geringe Investitionen, zunehmende Ungleichheit und eine konjunkturelle Abkühlung in den Schwellenländern wirkten sich noch immer auf die Wachstumsaussichten aus."