Russischer Atomstrom für Deutschland
Stand: 04.11.2011
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Düsseldorf - Kernenergie bleibt trotz Energiewende ein Zukunftsmarkt in Deutschland. Der russische Stromexporteur Inter Rao möchte seinen Atomstrom nach Deutschland verkaufen. Tschechien und Frankreich liefern seit der Energiewende bereits mehr Atomstrom in das Nachbarland.
"Deutschland ist durch die Energiewende ein sehr interessanter Markt für uns. Wir können helfen, die Lücke, die Deutschland durch den Atomausstieg in der Stromproduktion bekommen wird, zu schließen", sagte Boris Kowaltschuk, Chef von Inter Rao, dem "Handelsblatt". Sein Unternehmen hat in der russischen Exklave Königsberg genug Strom, davon könnte ein großer Teil über das angrenzende Polen nach Deutschland transportiert werden. Dieser Strom würde teils aus einem neuen Kernkraftwerk stammen, das der Nuklearkonzern Rosatom als Partner und Großaktionär von Inter Rao derzeit in Königsberg baut. Daher dürfte ein solcher Vorstoß auf wenig Gegenliebe bei Politikern und Umweltschützern stoßen.
"Schon im Jahr 2016 könnte der erste Strom vom neuen Kernkraftwerk nach Deutschland fließen", sagte Kowaltschuk. Auch eine Entfernung von 450 Kilometern bis zur deutschen Grenze gefährde die Wirtschaftlichkeit nicht. "Für uns würde sich das auf jeden Fall rechnen, trotz der zusätzlichen Transportkosten", sagt Kowaltschuk. "Die Strompreise sind in Deutschland viel höher als vor Ort."
Deutsche Konzerne halten sich bedeckt
Die deutschen Versorger E.ON und RWE wollten sich dem Blatt zufolge nicht zu den Avancen der Russen äußern. Hinter vorgehaltener Hand werde aber bestätigt, dass Inter Rao Kontakt aufgenommen habe. Dies liege schon länger zurück, sagen Eingeweihte bei RWE. Bei E.ON heißt es, man habe sich die Pläne angehört, sei aber nicht interessiert. Neben zahlreichen praktischen Problemen - so würde der Strom im Nordosten Deutschlands ankommen, wo das Netz wegen der Windparks in der Ostsee ohnehin an der Belastungsgrenze sei - wäre es politisch heikel, russischen Atomstrom in Deutschland zu verkaufen. "Das stellt doch die Energiewende auf den Kopf", zitiert das Blatt einen Branchenvertreter.
Kowaltschuk lässt sich davon nicht beirren. "Ich bin mir bewusst, dass es in Deutschland Vorbehalte gegen den Import von Atomstrom gibt, dabei liefern Tschechien und Frankreich doch bereits." In der Tat sind mit der Energiewende speziell die Atomstromimporte aus diesen beiden Staaten, die stark auf die Kernenergie setzen, gestiegen. Nach Angaben des Energieverbandes BDEW importierte Deutschland im Jahr 2010 rund 42 Milliarden Kilowattstunden Strom aus dem Ausland. Die Menge an exportiertem deutschen Strom war jedoch mit knapp 60 Milliarden Kilowattstunden deutlich größer.