Gabriels großes Herz für die Stahlkocher
Stand: 09.04.2014
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Berlin - Sigmar Gabriel ist ein begnadeter Rhetoriker. Also greift er zum Totschlagargument. Soll man für 40 Euro Entlastung in einem Drei-Personen-Haushalt Hunderttausende Arbeitsplätze in Gefahr bringen, fragt der Bundeswirtschaftsminister etwas ketzerisch. "Das hielte ich für ein frivoles Unterfangen." Kurz zuvor hat das Kabinett seine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gebilligt, der SPD-Vorsitzende preist das Werk am Dienstag als großen Wurf. Doch alles dreht sich um einen Passus, der erst in letzter Minute geregelt worden ist. Und daher im Mai nachträglich beschlossen werden muss.
Nach Unterzeichnen des Koalitionsvertrags mit der Union hieß es, die SPD mache "Politik für die kleinen Leute". Letztere, zumindest die, die nicht im Stahlwerk oder der Aluhütte arbeiten, schauen nun allerdings etwas in die Röhre. Denn für den SPD-Chef zählt weniger deren Stromkosten, sondern die Sicherung von Industriejobs im Zuge der Belastungen durch die Energiewende. 2100 Unternehmen genießen bisher Entlastungen bei den Förderkosten für Ökostrom, das belastet die Stromrechnungen von Bürgern und nicht begünstigten Unternehmen mit 5,1 Milliarden Euro.
Im Wahlkampf noch Kürzung der Industrie-Rabatte versprochen
Gabriels überraschende Aussage: Bei diesem Volumen wird es in etwa auch künftig bleiben. Im Bundestagswahlkampf versprach die SPD eine Kürzung der Industrie-Rabatte um 500 Millionen Euro. Im Februar sagte Gabriel: "Wenn wir es schaffen, eine Milliarde da rauszukriegen, dann wären wir schon außerordentlich gut." Nun steht unterm Strich: null Euro - obwohl die von Steuern und Abgaben weitgehend befreiten Industriestrompreise in Deutschland auf einem Zehn-Jahres-Tief sind.
EU-Kommission hat Verfahren eingeleitet
Zwar sollen nur noch 1600 Unternehmen umfassend begünstigt werden, aber Gabriel rechnet wegen der komplexen Regelung, die mit der EU-Kommission in der Nacht zuvor abgestimmt worden ist, dass die Industrie genauso viel zu den Ökostrom-Förderkosten beitragen wird wie bisher. Es geht um ein komplett neues System, nun werden Rabatte nicht mehr über den Verbrauch, sondern über die Bruttowertschöpfung ermittelt. Besonders überraschend ist, dass die EU-Kommission ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland wegen der Rabatte eingeleitet hatte - und am Ende gibt es in der Summe kaum Mehrbelastungen.