Blackout-Vorsorge: Notstrom für Festnetz und Mobilfunk in Deutschland unzureichend
24.11.2022 | 11:09
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: Verivox
Heidelberg. Ein länger andauernder Stromausfall würde in Deutschland auch die Telekommunikationsnetze faktisch lahmlegen. Telefonie und Internet übers Festnetz fielen unmittelbar aus, eine Mobilfunkversorgung wäre nur kurzzeitig und lückenhaft möglich. Das gilt auch für Notrufe. Bundesweit einheitliche Regelungen zur Notstromversorgung im Telekommunikationssektor existieren nicht. Das zeigt eine Analyse des Vergleichsportals Verivox auf Basis von Anfragen bei Bundesbehörden sowie Netzbetreibern und Rechenzentren.
Überlastung des Mobilfunks betrifft auch Notrufe
Ohne Strom sind Internet-Hardware wie Router und Modems nicht mehr einsatzfähig – anders als Laptops oder Mobiltelefone haben sie keine Akkus. Damit entfällt auch sofort die Telefonie, denn alle modernen Anschlüsse sind internetgebunden. Bei Internetanschlüssen per Satellit ist das erforderliche Modem ebenfalls auf Strom angewiesen.
Das Mobilfunknetz wäre theoretisch noch eine Zeit lang nutzbar, wenn auch nicht überall: Nach Auskunft der Netzbetreiber seien Mobilfunkstandorte „in der Regel“ mit Batteriepuffern ausgerüstet, die einige Stunden Stromausfall kompensierten. Allerdings könne nicht jeder Standort notstromversorgt werden, etwa aus Brandschutzgründen oder weil die Statik dies nicht zulasse. Ohnehin ist aufgrund des unmittelbaren Ausfalls des Festnetzes mit einer massiven Überlastung der Mobilfunknetze zu rechnen. Auch Notrufe wären dann nicht mehr möglich, obwohl sie prioritär durchs Netz geleitet werden. Gleiches gilt für den Empfang von Nachrichten über die Warn-App „Nina“.
„Gespräche zwischen Satellitentelefonen sind auch bei einem Strom-Blackout möglich“, sagt Jens-Uwe Theumer, Vice President Telecommunications bei Verivox. „Wenn der Gesprächspartner kein Sat-Telefon hat, gelten jedoch dieselben Einschränkungen wie im Mobilfunk.“
Keine gesetzliche Verpflichtung zur Notstromversorgung
Telekommunikationsnetze eines Anbieters gelten als kritische Infrastruktur, wenn sie von mindestens 100.000 Kunden genutzt werden. Gleichwohl sind die Anbieter nicht gesetzlich verpflichtet, ihr Netz für eine bestimmte Anzahl von Stunden durch Notstrom aufrechtzuerhalten. Das will die Bundesnetzagentur ändern: Im August 2022 hat die Behörde in einem Strategiepapier vorgeschlagen, bundesweit einheitliche Regelungen zur Notstromversorgung von Telekommunikationsnetzen zu etablieren.
Eine große Rolle spielt der Zeitfaktor: Das Nachtanken der meist dieselbetriebenen Notstromaggregate wird schwieriger, je länger der Ausfall dauert – denn die Netzbetreiber konkurrieren mit Sicherheitsbehörden, Krankenhäusern und anderen Bedarfsträgern um knappe Treibstoffressourcen. Alternativen zu fossilen Energien sind derzeit rar: So steckt etwa die Solarstromversorgung von Mobilfunkmasten noch in den Kinderschuhen. Um eine unterbrechungsfreie Stromversorgung zu gewährleisten, sollen erneuerbare Energien künftig verstärkt „in Betracht gezogen werden“, so die Formulierung im Strategiepapier.
Geplant: Reduzierte Mobilfunkversorgung im Katastrophenfall
Ziel der Bundesnetzagentur ist die Gewährleistung eines „Basisangebots“ über die Handynetze. Künftig sollen Bürgerinnen und Bürger auch bei einem großflächigen Stromausfall ein „stark eingeschränktes Angebot“ via Mobilfunk nutzen können – ergänzt durch mobile Netzersatzanlagen vor Ort, wie sie etwa im Ahrtal eingesetzt wurden. Mögliche Szenarien würden derzeit geprüft, so ein Sprecher der Behörde zu Verivox.
Auf Verivox-Anfrage bezeichnet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) einen flächendeckenden, langanhaltenden Stromausfall als „sehr unwahrscheinlich, wenn auch nicht ausgeschlossen“. Um aktuelle Meldungen auch ohne Stromversorgung verfolgen zu können, rät das BBK zur Anschaffung eines batterie- oder solarbetriebenen Radios. Zudem empfiehlt sich das Vorhalten einer oder mehrerer Powerbanks, um Mobiltelefone zumindest eingeschränkt nutzen zu können.
Methodik
Das Vergleichsportal Verivox hat im September 2022 bei insgesamt elf wichtigen Stakeholdern aus dem Telekommunikationsmarkt angefragt, welche Vorsorgemaßnahmen für einen Blackout sie getroffen haben und wie groß sie die Gefahr durch einen länger andauernden Stromausfall einschätzen. Gefragt wurden die Netzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone, 1&1, Telefónica/O2, NetCologne und M-net, außerdem die Rechenzentrenbetreiber Ionos und Hetzner, der Betreiber des Internetknotenpunktes DE-CIX sowie auf Behördenseite die Bundesnetzagentur und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.