Endet die Euro-Krise im kommenden Jahr?
Stand: 28.12.2017
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Brüssel/Athen - Geht alles nach Plan, kommt Griechenland im kommenden Jahr erstmals seit zehn Jahren wieder ohne Hilfsgelder aus. Auch im Rest von Europa geht es aufwärts. Ein Aus- und Überblick.
Griechenland steht immer noch vor schmerzhaften Reformen
Für das lange Zeit pleitebedrohte Griechenland war das Ende der Finanzkrise noch nie so nah. Die Wirtschaft wächst, die Neuverschuldung sinkt, auch die Arbeitslosigkeit geht zurück. 2018 wird ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent erwartet. Die Arbeitslosigkeit soll Ende 2018 auf 20 Prozent sinken. Noch vor zwei Jahren lag sie bei 25 Prozent.
In der Hochphase der Krise im Sommer 2015 hatten die internationalen Geldgeber und Athen sich auf das dritte Hilfspaket in Höhe von bis zu
86 Milliarden Euro bis Mitte 2018 verständigt. Im Gegenzug muss das Land eine lange Liste an Spar- und Reformmaßnahmen umsetzen. Tsipras, der im Januar 2015 mit dem Versprechen ins Amt gewählt wurde, den Sparvorgaben zu trotzen, ist mittlerweile eifrig bemüht, alle Auflagen so schnell wie möglich zu erfüllen.
Die letzten Reformen, die Athen umsetzen muss, sind aber sehr schmerzhaft. Die Banken müssen sich den faulen Krediten in ihren Bilanzen widmen. Häuser und Wohnungen von Schuldnern, die nicht zahlen, könnten beschlagnahmt werden und unter den Hammer kommen.
Schulden und massenhafte Abwanderung
Nach wie vor türmt sich in Athen ein Schuldenberg in Höhe von etwa 180 Prozent des BIP auf. Steuererhöhungen, Rentenkürzungen, Teilzeit, Perspektivlosigkeit und Auswanderung sind Realität. Schätzungen zufolge sind in den vergangenen vier Jahren zwischen 400 000 und 500 000 überwiegend junge und gut ausgebildete Griechen ausgewandert.
Fast zwei Drittel aller griechischen Arbeitnehmer haben zudem keinen Vollzeitjob. Vor allem junge Menschen arbeiten oft für weniger als 400 Euro im Monat. Viele von ihnen leben deshalb am Rande der Armut und sind auf die Unterstützung ihrer Familien angewiesen.
Anderswo wird es schneller besser
Andere einstige Krisenländer wie die Republik Zypern sind mittlerweile aus dem Schneider. Nach der schweren Bankenkrise 2013 ist die Inselrepublik wieder auf Kurs und kann sich mit eigenen Kräften finanzieren. Das Rettungsprogramm war mit einem Volumen von nur zehn Milliarden Euro und deutlich weniger Auflagen allerdings auch nicht mit dem für Griechenland vergleichbar. Als Spanien das Rettungsprogramm im November 2013 verließ, hatte das Land gerade einmal 40 Milliarden der ursprünglich genehmigten 100 Milliarden Euro für den Bankensektor aufgebraucht.
Vier Jahre später steht das Land wieder recht gut da - auch wenn die Katalonien-Krise Sorgen macht. Nach dem Unabhängigkeitsreferendum in der wirtschaftsstarken Region und der Entmachtung der Regionalregierung hatte die Regierung in Madrid im Oktober ihre Wachstumserwartung für das kommende Jahr von 2,6 auf 2,3 Prozent korrigiert. Die Arbeitslosenquote in Spanien war zuletzt mit 16,4 Prozent auf das niedrigste Niveau seit rund neun Jahren gefallen.
Allgmein gute Aussichten
Für die gesamte Eurozone sind die Aussichten zumindest auf den ersten Blick so gut wie lange nicht. Die EU-Kommission rechnet in den 19 Staaten des Währungsgebiets 2017 mit einem BIP-Zuwachs von 2,2 Prozent, 2018 von 2,1 Prozent. Der Währungsraum könnte das stärkste Wirtschaftswachstum seit gut einem Jahrzehnt hinlegen. Gleichzeitig soll die Schuldenquote - das Verhältnis der Staatsschulden zum BIP -
2017 auf 89,3 und 2018 auf 87,2 Prozent sinken.
Nach Einschätzung der EU-Kommission steht die Erholung aber noch nicht auf festen Füßen. Fürs Wirtschaftswachstum seien nach wie vor flankierende Maßnahmen etwa der EZB nötig, heißt es bei der Brüsseler Behörde. Auch aus Sicht von EZB-Präsident Mario Draghi ist der Euroraum weiter auf das billige Geld der Notenbank angewiesen.
Schuldenquote in Italien ist sehr hoch
Sorgen bereitet zudem vor allem Italien. Das Land weist nach Griechenland mit etwa 130 Prozent die höchste Schuldenquote in der EU auf, zudem drücken in den Bilanzen der Banken viele faule Kredite. Sollte das Eurozonen-Schwergewicht ernsthaft ins Schwanken kommen, könnte auch der Euro-Rettungsfonds ESM, der zuletzt maßgeblich die Rettungsprogramme schulterte, deutlich überfordert werden.
Vor diesem Hintergrund dürfte die Reformdebatte über die Wirtschafts- und Währungsunion an Fahrt gewinnen. Einer der größten Zankäpfel ist die geplante Einführung eines gemeinsamen Sicherungssystems für Bankguthaben. Deutschland sperrt sich, da die Banken hierzulande fürchten, im Zweifelsfall für in Schieflage geratene Institute in anderen Ländern zu haften. Viele Experten argumentieren allerdings, dass bereits die Verteilung von Haftungsrisiken auf europäische Schultern zu mehr Sicherheit in kommenden Krisen beitragen würde.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) signalisierte zuletzt beim Euro-Gipfel Mitte Dezember mögliche Kompromissbereitschaft. In den kommenden Monaten wollen zudem Deutschland und Frankreich gemeinsame Positionen für die Eurozonen-Reform vereinbaren.Für Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis ist die Lage klar: "Wir sollten nicht auf die nächste Krise warten."