Gutachten: Atomkraftwerke nicht gegen Flugzeugabsturz gesichert
Stand: 29.01.2004
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München/Philippsburg (dpa/lsw) - Die Atomkraftwerke Philippsburg I (Kreis Karlsruhe) und Obrigheim (Neckar-Odenwald-Kreis) sind einer Studie zufolge nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert. In einem vertraulichen Gutachten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) heisst es zu den Kraftwerkstypen: "Keine explizite Auslegung gegen Flugzeugabsturz". Insgesamt sechs deutsche Kernkraftwerke seien bei ihrer Planung nicht gegen einen Terrorangriff mit Passagierflugzeugen ausgelegt.
Zu den sechs aufgeführten Atomkraftwerken gehören drei Siedewasserreaktoren: neben Philippsburg I die typgleichen Meiler Isar I bei Landshut und das in der Nähe Hamburgs gelegene Brunsbüttel. Bei diesem Kraftwerkstyp sind nach GRS-Einschätzung die schwersten Schäden bei einem Luftangriff mit einer Passagiermaschine zu erwarten - einschliesslich der Freisetzung von Radioaktivität. Die drei anderen Atomkraftwerke sind Druckwasserreaktoren: neben Obrigheim auch Biblis A (Hessen) und Stade (Niedersachsen).
Der Atomkritiker Klaus Traube, der in den 60er Jahren an der Entwicklung des Typs von Siedewasserreaktoren beteiligt war, sagte am Donnerstag: "Die Fachwelt hat die Möglichkeit eines Flugzeugabsturzes auf ein Atomkraftwerk überhaupt erst ab 1970/71 erfasst. Damals fielen die Starfighter wie Fliegen vom Himmel." Es gebe aber eine Reihe von Anlagen, die vorher bereits genehmigt waren. Traube arbeitete damals nach seinen Angaben als Direktor des Bereichs Siedewassereaktoren bei AEG.
Die GRS berechnete die Folgen eines Terrorangriffs mit drei unterschiedlich grossen Passagierflugzeugen (Boeing 747, Airbus A 300 und Airbus A 320) bei zwei verschiedenen Aufprallgeschwindigkeiten von 100 Meter pro Sekunde (360 km/h) und 175 Meter pro Sekunde (630 km/h). Beim Aufprall auch des kleinsten der drei Flugzeugtypen sei die "Beherrschung fraglich", heisst es in einer Übersichtstabelle. "Fraglich" sind die Folgen auch, wenn ein Triebwerk die Gebäudewand des Reaktors durchdringt. Mit einer "erheblichen Freisetzung" von Radioaktivität sei unter Umständen auch zu rechnen, wenn Wrackteile das Reaktordach treffen und beschädigen.
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