Abschaltparty: Grüne feiern trotz Kritik das Ende von Biblis
Stand: 08.11.2011
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dapd
Wiesbaden - "Wenn das kein Grund zum Feiern ist", müssen sich Grünen-Politiker deutschlandweit mit dem Beschluss des Atomausstiegs gedacht haben. Gesagt, getan: In Hessen feierte die Partei eine Biblis-Abschaltparty. Der Betriebsrat des Atomkraftwerks fand dies sehr geschmacklos.
Die hessischen Grünen haben unbeirrt von Kritik am Montagabend den größten Erfolg ihrer Parteigeschichte gefeiert. Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir begrüßte im Foyer des Hessischen Landtags rund 200 Gäste zur "Biblis-Abschaltparty." Der Kampf gegen die Nuklearanlage in Hanau und das hessische Atomkraftwerk Biblis seien die Hauptkampfpunkte der 1979 gegründeten Grünen gewesen, sagte Al-Wazir. Mit der Abschaltung des AKW sei das Zeitalter der Atomkraft in Hessen endgültig zu Ende und der Weg frei für die Energiewende. Diesen Erfolg wolle man feiern.
Schon vor der Veranstaltung hatte der Betriebsrat des AKWs Biblis die Party als "absolute Geschmacklosigkeit" kritisiert. Angesichts der Existenzängste und des bevorstehenden Stellenabbaus im Foyer des Landtags eine solche Party zu feiern, sei eine "perfide Konstellation", hieß es am Montag in einem Brief an Landtagspräsident Norbert Kartmann (CDU).
Die Feier sei keineswegs geschmacklos, betonte Al-Wazir am Abend: Über 800 Störfälle habe es seit der Inbetriebnahme von Biblis gegeben, das seien "800 zu viel" gewesen. "Wir feiern, dass dieses Land sicherer geworden ist und dass kein Atommüll mehr produziert wird, der noch Tausende von Jahren strahlt", sagte Al-Wazir der Nachrichtenagentur dapd. Wenn es zur Energiewende in Hessen kommen, werde es am Ende viel mehr Arbeitsplätze geben als es jetzt in Biblis. Auch werde das Altkraftwerk "noch lange beschraubt werden müssen", sagte Al-Wazir, und hielt einen der 15.000 Dübel hoch, die in dem AKW falsch montiert wurden.
Al-Wazir: Grüne freuen sich über beginnende Energiewende
"Wir würden heute nicht feiern, wenn es nicht am elften März eine Katastrophe gegeben hätte," erinnerte Al-Wazir auch an die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima. Die sei übrigens noch nicht vorbei, verwies er auf jüngste Spekulationen über eine neue Kernspaltung in dem havarierten AKW. Die Grünen freuten sich aber, dass die Energiewende in Deutschland nun endlich beginne. "Ich wünsche diesem Land den Umstieg auf Erneuerbare Energien", betonte der Grünen-Landeschef.
Die Abschaltparty sei deshalb auch eine "Umschaltparty zu Erneuerbaren Energien." Es habe "leider erst einer Katastrophe bedurft", damit daraus bundesweit ein gesamtgesellschaftliches Projekt geworden sei, stichelte er in Richtung CDU und FDP. Er hoffe, dass auch die beiden Regierungsparteien schnell erkennen würden, "dass da ökologische und ökonomische Chancen auch für dieses Bundesland drin liegen".
Roth: Abschaltung ist ein "Geschichtsmoment"
Grünen-Bundeschefin Claudias Roth sprach von einem "Geschichtsmoment": "Biblis war immer ein Symbol für den Irrsinn des Atomzeitalters", sagte sie. Es sei deshalb auch zu Feiern, "dass wir uns treu geblieben sind", betonte Roth: Die Sturheit habe sich ebenso gelohnt, das Bohren "von verdammt dicken Brettern" und der Mut, einer manchmal übermächtigen Lobby zu widerstehen. Die Grünen hätten sich immer gegen die menschliche Hybris gestellt, die blind auf Technikgläubigkeit gesetzt habe.
Der Kampf der Grünen sei aber noch nicht zu Ende, betonte Roth: In Gorleben brauche es einen Baustopp, mit der Vorfestlegung auf den Standort müsse endlich Schluss sein, es brauche eine ergebnisoffene Suche nach einem Endlager. "Wir werden erst Ruhe geben, wenn auch das letzte AKW abgeschaltet ist", versprach sie. Auch müsse Deutschland beim anstehenden Klimagipfel beweisen, dass es ihm ernst sei mit dem Klimaschutz. Die hessischen Grünen wollen jetzt aber erst einmal ausmisten: "Wir werden bald unsere ganzen, gesammelten Biblis-Akten dem Hessischen Hauptstaatsarchiv übergeben", kündigte Al-Wazir an.